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Scheidung wird „honoriert“

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Im „Wirtschaftsmanifest“ der OVP heißt es: „Im Familienbereich kommt es zu massiven Entlastungen, insbesondere bei einkommenschwachen Mehrkinderfamilien.“

Dieser Satz verdient — bei aller Anerkennung der Leistung der Volkspartei um die Schaffung eines modernen, investitions- und leistungsfreundlichen Steuersystems — eine nähere Analyse. Denn Österreichs Mehrkinderfamilien, die nicht nur mit dem höchsten Mehrwertsteuersatz Europas zur Kasse gebeten werden, sondern auch kaum einen Lohn- und Einkommensteuerrabatt gegenüber Kinderlosen genießen, können derartige Ankündigungen nur mit ungläubigem Staunen registrieren.

Woraus bestehen denn diese „Entlastungen“ für Mehrkinderfamilien? Da ist einmal die Heraufsetzung des Alleinverdiener-absetzbetrages von derzeit 3.900 (jährlich!) auf 4.000 Schilling (jährlich!), also um ganze hundert Schilling pro Jahr.

Doch es gibt eine weitere milde Gabe des Staates: der Kinderab-setzbetrag für Alleinverdiener wird von 600 jährlich auf 1.800 Schilling jährlich erhöht, das sind weitere hundert Schilling pro Kind, und dies sogar pro Monat (FURCHE 3 und 10/1988).

Eine wahrhaft familienfreundliche Leistung. Sie kompensiert zwar nicht die familienfeindliche Besteuerung der Alleinverdiener-Mehrkinderfamilien, die mit dafür verantwortlich ist, daß 40 Prozent dieser Familien unter dem Existenzminimum leben. Aber so ein Hunderter pro Monat ist ein gewisser Inflationsausgleich und ermöglicht wenigstens, einmal im Monat zusätzlich mit den Kindern ins Kino zu gehen. Da vergißt man den Arger über die ungerechte Besteuerung der Mehrkinderfamilien leichter.

Doch nicht genug damit: Wird der im Parlament liegende Reformentwurf Gesetz, können Geschiedene den Kinderabsetzbe-trag doppelt in Anspruch nehmen — der Vater, der Unterhaltszahlung für Kinder leistet, ebenso wie die geschiedene berufstätige Mutter, bei der das Kind lebt. Der Kinderabsetzbetrag gebührt vielen geschiedenen Eltern für das gleiche Kind also dann zweimal, Verheirateten nur einmal.

Das entspricht vielleicht nicht ganz dem sozialistischen Grundsatz: „Uns sind alle Kinder gleich viel wert“. Aber es macht doch überdeutlich, daß Kinder aus geschiedenen Ehen dem Fiskus, was die Kinderabsetzbeträge betrifft, immerhin noch doppelt so viel wert sind wie solche aus intakten Familien.

Dazu ein Vorschlag: Wie wäre es, wenn man das Wort „Familie“ aus den diversen Arbeitspapieren überhaupt streichen würde? Dann könnte man sich wenigstens den Ärger mit den Familienverbänden ersparen, die immer wieder, lästig wie sie sind, auf eine gerechte Familienbesteuerung drängen.

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