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Stärken und Schwächen des Pontifikats
Die große Wirkung dieses Papstes besteht darin, daß er glaubt, wovon er spricht. Das hat die jüngste, mittlerweile 60. Reise ins Ausland - nach Jamaica, Mexiko und in die USA - wieder eindrucksvoll demonstriert. In Denver haben Tausende Jugendliche Sympathie mit dem Mann aus Rom bekundet; da ist einer, der zu dem steht, was er unermüdlich, mit einer gewissen Stereotypie einzuhämmern versucht.
Aber: die Glaubwürdigkeit dieses Papstes hat nichts mit dem tatsächlichen, realen Leben zu tun. Die Faszination an der Treue zu den sogenannten Prinzipien der katholischen Kirche, den ewigen Wahrheiten, die - wenn sie in kurzschlüssig auf den moralischen, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Sektor angewendet werden - doch einen gewissen Anstrich von Ideologie bekommen, geht nicht so weit, daß alle vom Papst unermüdlich getrommelten Gebote auch als sinnvoll anerkannt und gar gelebt werden.
Der Karikaturist von „Nesweek” sieht das so: Bill Clinton liest in einer Zeitung von schlechten Zustimmungsraten gegenüber dem Papst und fragt diesen: „Was haben Sie gemacht, Wahlversprechen gebrochen?” „Nein”, antwortet der Papst, „ich habe sie gehalten.” Und in einer anderen Karikatur schiebt während einer Papstansprache ein Mädchen ihrem Freund hinter dem Rücken eine Packung Kondome zu.
Eine merkwürdige Diskrepanz: auf der einen Seite sucht der Mensch dogmatischen Halt, den ihm dieser Papst überreichlich suggeriert. Auf der anderen Seite wehrt er sich gegen Dogmatisierungen in jedem - wie es den Anschein hat jetzt auch im moralischen Bereich. Es war die Stärke des Papsttums nach der Definition der Unfehlbarkeit auf dem I. Vatikanum, diese bis 1950 nie in Anspruch genommen zu haben. Dieses Pontifikat vermittelt den Eindruck, daß der Papst in jeder Frage die Unfehlbarkeit besitze. Und das ist die Schwäche: weder das Leben noch der Mensch läßt sich gerne bis ins Detail hinein maßregeln.
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