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Sudetendeutsche hoffen weiter

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Nach Abschluß des zweitägigen Staatsbesuches des tschechischen Präsidenten Vaclav Havel in Österreich bleiben zwar viele offene Worte von beiden Seiten im Gedächtnis, welche Taten folgen werden, ist gleichermaßen offen. Die Hoffnung der Sudetendeutschen auf eine Lösung der Frage der Vermögensrestitution und des Heimatrechtes wurde nicht erfüllt.

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Nach Abschluß des zweitägigen Staatsbesuches des tschechischen Präsidenten Vaclav Havel in Österreich bleiben zwar viele offene Worte von beiden Seiten im Gedächtnis, welche Taten folgen werden, ist gleichermaßen offen. Die Hoffnung der Sudetendeutschen auf eine Lösung der Frage der Vermögensrestitution und des Heimatrechtes wurde nicht erfüllt.

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Der Bundesobmann der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Österreich, Carsten Eder, hat die diversen Äußerungen Havels, eine Rückgabe der seinerzeit verlorenen Güter werde es für die Sudetendeutschen nicht geben, als eine „politische Zweckäußerung" qualifiziert. „Havel wird in dieser Angelegenheit etwas tun müssen", betonte Eder gegenüber der FURCHE und lobte in diesem Zusammenhang das Engagement des österreichischen Bundespräsidenten Thomas Klestil.

Im Gegensatz zu einer Äußerung des Völkerrechtlers Felix Ermacora in der Grazer „Kleinen Zeitung" vom vergangenen Sonntag, wonach Österreich keine juristische Betreuungsfunktion für die Sudetendeutschen habe, betonte Eder, daß es einen Sinn gehabt habe, daß Klestil - übrigens nicht zum ersten Mal - dieses Problem gegenüber Havel angesprochen habe. „Es handelt sich ja um altösterreichisches Gebiet. In den vergangenen Jahrzehnten hat die Regierung Kindesweglegung betrieben." Für Eder geht es um die moralisch-prinzipielle Regelung der Entschädigungs-beziehungsweise Vermögensrückgabefrage und um die Feststellung des Heimatrechtes für die Sudentendeutschen in ihren angestammten Gebieten. Dem müßte allerdings auch eine rechtlich abgesicherte Lösung folgen, weil sich Rückkehrwillige ja nicht ins Nichts begeben könnten.

Eder wies in dem FURCHE-Ge-spräch darauf hin, daß in Österreich etwa 160.000 Sudetendeutsche leben (in der Bundesrepublik sind es mit den neuen Bundesländern etwa drei Millionen), die, beziehungsweise deren Vorfahren auch schon früher österreichische Staatsbürger waren. Für den Bundesobmann der Sudetendeutschen Landsmannschaft geht es nicht nur um Entschädigung, man weiß ja, daß die Tschechische Republik dies nicht leisten könne, sondern um Rückgabe enteigneten Vermögens der Vertriebenen (Havel hat übrigens in Österreich nicht von „Vertriebenen", sondern etwas milder von „Abgeschobenen" gesprochen).

„Sehen Sie" - so Eder - „es gibt eine Menge Nachkommen von Südmäh-rern, die im Raum von Retz leben und von dort aus, wenn das möglich werden sollte, als Landwirte hinüberfahren könnten, um ihren alten Besitz zu bewirtschaften. Dabei wird drüben ja niemandem etwas weggenommen, denn die Landwirtschaft war bisher ja kollektiviert." Der Bundesobmann sieht dabei auch Vorteile für tschechische Landarbeiter, die in diesem Fall mit einer höheren Bezahlung rechnen könnten.

Sind tatsächlich viele Sudetendeutsche daran interessiert, zurückzukehren? Eder meint, daß dies der Fall wäre, wenn die Vermögensrückgabe etwas bringt. „Überspitzt gesagt: Wenn man den Besitz den rechtmäßigen Eigentümern zurückgibt, ihnen zehn Jahre Steuerfreiheit gewährt und dazu als Entschädigung noch 200.000 Schilling Starthilfe anbietet, dann müßte man Platzkarten ausgeben, so groß wäre der Andrang."

Die Älteren, die sich hier eine Existenz aufgebaut haben, würden wohl nicht mehr in ihre alte Heimat gehen, aber Jüngere würden das -„falls es sich rechnet" - sehr wohl in Angriff nehmen. „Mit den Tschechen hat es ja eine jahrhundertelange Zusammenarbeit gegeben. Und sie müssen sich auch überlegen, mit wem sie künftig zusammenarbeiten wollen. Das Schüren der Angst vorden Deutschen kommt ja aus dem alten kommunistischen Apparat. Die Tschechen sollten nicht darauf hereinfallen."

Vaclav Havel befindet sich -wie Eder konzediert - in einer schwierigen Situation. Er müsse damit fertig werden, daß es unter der Asche nicht weiterglimmt. Der Druck von der Basis, von KP-Seite, von der nationalistischen Seite sei sehr stark. Der Bundesobmann der Sudetendeutschen in Österreich fordert eine „gerechte Lösung, sonst schwelt es immer nur weiter". Auch das Heimatrecht ist für ihn eine Forderung der Sudetendeutschen, die sich nicht einfach mit dem Hinweis auf die Niederlassungsfreiheit in einem künftig geeinten Europa abkaufen lasse. Alles in allem setzt Eder sich für die Schaffung von Rahmenbedingungen ein; wie und ob diese dann ausgenützt würden, sei eine andere Sache.

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