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Über „flankierende Maßnahmen“ reden

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Der Parlamentsklub der österreichischen Volkspartei hat im Herbst 1973 vor der Abstimmung über die Fristenlösung festgestellt, daß sich jeder Abgeordnete bei der Stimmabgabe einzig und allein von seinem Gewissen leiten lassen muß. Es gab keinen wie immer gearteten Klubzwang. Dieselbe Vorgangsweise wird selbstverständlich auch bei der bevorstehenden Abstimmung über das Volksbegehren der „Aktion Leben“ eingehalten werden. Ich bin nicht in der Lage, als Klubobmann eine Stellungnahme des Parlamentsklubs der österreichischen Volkspartei abzugeben; ich kann lediglich meine eigene, höchst persönliche Meinung äußern.

Abgeordnete der österreichischen Volkspartei unter Führung von Walter Hauser haben bereits anläßlich der parlamentarischen Behandlung der Fristenlösung auf die Wichtigkeit „flankierender Maßnahmen“

hingewiesen. Es kam dann zu einem Entschließungsantrag der Abgeordneten Hauser, Skritek und Zeillin-ger, in welchem die Bundesregierung aufgefordert wurde, eine Reihe derartiger Maßnahmen (ihre Aufzählung hier würde zu weit führen) in die Wege zu leiten.

Uber die im Artikel von FURCHE-Chefredakteur Hans Magenschab beschriebenen „flankierenden Maßnahmen“ des französischen Modells wird man zweifellos reden können; sie dienen schließlich alle dem Zweck, Abtreibungen zu verhindern.

Die Suspendierung aller im Strafgesetzbuch festgehaltenen Sanktionen im Falle einer Fristenlösung für die Dauer von fünf Jahren halte ich für eine bedenkliche Maßnahme. Die Suspendierung bedeutet im Klartext die Einführung der Fristenlösung zumindest für die Dauer von fünf Jahren. Damit wird zunächst die im

französischen Gesetz garantierte „Ehrfurcht vor jedem menschlichen Wesen vom ersten Augenblick seiner Existenz an“ für fünf Jahre faktisch außer Kraft gesetzt, und zwar generell ohne Rücksicht darauf, wie der Einzelfall tatsächlich gelagert ist. Es ist vom rechtspolitischen Standpunkt nicht empfehlenswert, die Strafbarkeit einer Tat — wenn auch nur in der Form einer Suspendierung der im Gesetz vorgeschriebenen Sanktionen — vorübergehend und probeweise außer Kraft zu setzen. Das Strafrecht ist kein Feld zum Experimentieren.

Abgesehen von dieser — allerdings entscheidenden — Frage halte ich persönlich das französische Modell nur für einen Ansatzpunkt, um endlich die Diskussion über echte „flankierende Maßnahmen“ anzugehen und so wenigstens die Zahl der Abtreibungen einzudämmen.

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