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Zu spät?

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Als das „Sparpaket" vom Parlament beschlossen werden sollte, wäre fast ein folgenschwerer Lapsus passiert: Alleinstehende Mütter wären beinahe in der zweiten Hälfte des zweiten Karenzjahres aus dem Versicherungsschutz gefallen. Aber nur beinahe eben. Zum Glück. Oder auch leider. Denn groteske Effekte wie der genannte hätten vielleicht zu einer raschen, umfassenden Sichtung der in Eile durchgepeitschten Gesetze geführt.

Was aber dringend Not tut in dieser Zeit, ist ein „sozialer Kassasturz", das heißt eine offene und klare Analyse der Ist-Situation im Sozialen Bereich sowie der Wirkungen und Nebenwirkungen des eingeschlagenen Weges bedauerlich undifferenzierter Sparsamkeit. Denn auf der Strecke bleiben werden wieder einmal die Schwächsten. Kinderreiche Familien ohne größere Einkünfte, einkommensschwache Bezieher von Pflegegeld, behinderte Menschen, Langzeitarbeitslose, Obdachlose und natürlich Ausländer. Natürlich - so, als würden sie nicht auch einen wesentlichen Beitrag zum Wohlstand in diesem Land geleistet haben und leisten.

Und diese Analyse ist rasch erforderlich. Denn die Zeit drängt für jene, die wirklich an den Band gedrängt und vergessen worden sind, weil sie keine Lobby haben, die für sie auf die Straße geht. Caritas alleine kann dabei nicht genügen, so wichtig es auch ist, mit offenem Herzen auf Not zuzugehen und zu helfen. Aber Liebe darf nicht gegen Gerechtigkeit ausgespielt werden. Und um die sozialen Mindeststandards der Gerechtigkeit geht es in diesem Fall.

Aber vielleicht ist es auch schon zu spät. Denn die Wahlen in Wien stehen vor der Tür und da wird restriktives Denken wieder „in" sein. Wer ohne Rücksicht emotionali-siert, gewinnt. Und zuviel Wahrheit ist da dem Erfolg abträglich. Dabei wird es dem einen oder anderen Minister wohl bestimmt sein, der Partei als liberales Feigenblatt zu dienen. Aber hinter vorgehaltener Hand wird wieder das häßliche Wort vom Sozialschmarotzertum gezischelt werden. Und es werden sich wieder welche finden, die es gerne hören. Denn Wien ist da nicht anders.

Der Autor ist

Wiener Caritas-Direktor.

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