"Eigentlich ist das eine Schande“

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Stefan Schennach begann vor vierzig Jahren sein Engagement für Entwicklungspolitik. Er kritisiert den niedrigen Aufwand Österreichs für Entwicklungszusammenarbeit.

Prof. Stefan Schennach, Kulturmanager, Lektor und Bundesrat der SPÖ, gehört zu Österreichs Entwicklungspolitikern der ersten Stunde. Er war 1979 Mitbegründer des Österreichischen Informationsdienstes für Entwicklungspolitik, gründete 1983 die inzwischen als Agentur umfangreicher tätige Buchhandlung Südwind. Er ist in internationalen parlamentarischen Kooperationen tätig, ebenso beratend für die Organisation HORIZONT3000.

Die Furche: Welche Rolle spielt die Entwicklungszusammenarbeit in der Politik, und welche Rolle spielt Österreich in der Entwicklungspolitik?

Stefan Schennach: Zu Österreichs Entwicklungszusammenarbeit ist festzuhalten, dass noch keine Regierung die vereinbarten Ziele eingehalten hat. (Anmerkung: Ziel sind 0,7 Prozent des BIP als Aufwand für Entwicklungspolitik; Österreichs erreicht nur den halben Prozentsatz, wird das Ziel bis 2015 nicht erreichen). Ich sage es deutlich: Das ist eine Schande.

Die Furche: Sind andere Länder besser?

Schennach: Luxemburg schafft einen Anteil von 1,1 Prozent, alle skandinavischen Länder erreichen dieses Ziel. Bei uns hingegen ereignen sich merkwürdige Dinge, etwa, dass der Militäreinsatz im Tschad oder die Entschuldung des Irak in diese Mittel hineingerechnet werden. Die eigentlichen Mittel für die personelle Entwicklungszusammenarbeit sind dürftig.

Die Furche: Entspricht das vielleicht der Haltung in der Bevölkerung?

Schennach: Sicher nicht. Österreich ist ein Land, welches eine enorme Spendenbereitschaft zeigt. Jedes Jahr erreicht die Dreikönigsaktion noch einmal ein Plus. Es gibt seit den Siebzigerjahren Selbstbesteuerungsgruppen, in Oberösterreich, in Vorarlberg und in der Steiermark. Österreich hat in den Fünfzigern für Korea gespendet, in den Sechzigern für Biafra. Bevölkerungen und Staaten gegeneinander auszuspielen, wie es die FPÖ macht, ist nur eine populistische Aktion und eine grenzenlose Dummheit. Ich kann nur unterstreichen, was Bundespräsident Heinz Fischer sagt: Was ihn am meisten schmerzt, ist die Kürzung in der Entwicklungszusammenarbeit.

Die Furche: Fachleute empfinden diese Kürzungen als beschämend. Wie konnte es so weit kommen?

Schennach: Es ist eine Frage des Stellenwertes in der Politik. Schweden hat als wohlhabendes Land immer die Verpflichtung dazu verspürt. Man muss es eben politisch tragen. Es gibt ja auch internationale Verpflichtungen, etwa die Millenniumsziele (Anmerkung: acht UNO-Entwicklungsziele, die bis 2015 nicht erreicht werden). Österreich entfernt sich davon immer mehr, vor allem durch das Sparpaket.

Die Furche: Und die Folgen davon sind ...

Schennach: Österreich hat in der Entwicklungszusammenarbeit ein enormes Wissen und viel an Erfahrungen gesammelt. Das soll weiter genutzt werden. Unsere Leute waren in 80 Ländern aktiv. Das waren ja nicht nur Brunnenbauer, die waren umfassend engagiert und haben zu nachhaltiger Entwicklung beigetragen. Etwa auf dem Gebiet der ländlichen Entwicklung, wie sich Subsistenzwirtschaft ausweiten lässt. Diese Leute im Einsatz bauen auf marginalen Strukturen auf, helfen den Bauern abseits normaler Handelswege zu Vermarktung, bieten Hilfe zur Selbsthilfe, stärken die Bauern und ihr ökologisches Bewusstsein. Oder sie haben geholfen, Werte der alten Medizin zu erhalten, die Positionen der Frauen zu stärken, ihnen Ausbildung zu verschaffen.

Die Furche: Die Welt bietet nicht das Bild, das wir uns von ihr wünschen, um ein geflügeltes Wort zu zitieren. Was ist als Erstes zu tun?

Schennach: Die Strukturen ändern: Wir können nicht alles in Billiglohnländer auslagern. Die können sich dann zudem bei agrarischen Monokulturen, etwa Baumwolle, nicht mehr ernähren. Wir müssen in Handelsabkommen das Prinzip von Fair Trade einbauen. Für Österreichs Entwicklungszusammenarbeit war es richtig, Schwerpunkte zu definieren, nämlich Afrika. Dort schlägt alles noch mehr und härter durch. Europa hat diesen Kontinent zerstört und hat ihm gegenüber eine kollektive Verantwortung. Diese ist wahrzunehmen. Und trotz aller Finanzkooperationen und einer globalisierten Welt stärkt die personelle Entwicklungszusammenarbeit die lokalen NGOs. Daher ist diese Entwicklungszusammenarbeit modern und unverzichtbar.

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