Wege der "Weltwahrnehmung"

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Monika Leisch-Kiesl ist es zu verdanken, dass es auf der Uni Linz nun ein "Institut für Kunstwissenschaft und Philosophie" gibt - eine Schnittstelle zwischen den drei Partnern Kunst, Philosophie und Theologie, eine "Kontaktstelle" für an der Auseinandersetzung mit Kunst interessierte Theologen und offen für alle anderen Geisteswissenschafter.

Die Furche: Von Paul Klee stammt die Einsicht, die Künstler seiner Generation hätten zwar die Freiheit gewonnen, dafür aber das Publikum verloren. Wenn man nun an die Zahlen der Kirchenaustritte denkt, könnte man die Frage stellen, ob sich mit Kunst und Kirche zwei Randerscheinungen treffen.

Monika Leisch-Kiesl: Die Kunst hat sicher die institutionelle Freiheit gewonnen, ob sie damit Publikum verloren hat, möchte ich doch mit einem Fragezeichen versehen. Das Publikum der Kunst war davor auch schon eine sehr eingeschränkte Gruppe. Spannend war nach der Aufklärung, dass die Gesellschaft, die sich auf einem demokratischen Weg befand und auch noch befindet, eine größere Verantwortung übertragen bekommen hat für das, was Kunst weiterhin sein kann. Was die Vergleichbarkeit mit der Situation der Kirche betrifft, so befindet sich diese in derselben nachaufklärerischen Situation wie die Kunst. Menschen begreifen sich als Individuen, die sich weniger institutionellen Einbindungen verpflichtet wissen, sich vielmehr ihrer Eigenverantwortung bewusst sind und ihr Leben gestalten.

Die Furche: Sie arbeiten im Diskursfeld Kunst und Kirche beziehungsweise Theologie. Was haben diese Partner sich zu sagen?

Leisch-Kiesl: Kunst ist eine Form, Welt wahrzunehmen, zu reflektieren und zu gestalten. In der Kunst wird Weltwahrnehmung anschaubar und damit kommunizierbar. Die Stärke der Philosophie ist die Reflexion, sowohl von den Fragestellungen als auch von der Rezeptionsleistung her. Wurde von der Philosophie gesagt, sie sei "ihre Zeit in Gedanken erfasst" (Hegel), so ließe sich von der Kunst sagen, sie sei ihre Zeit in Bilder gefasst. Die Theologie bietet demgegenüber noch einmal einen ganz eigenen Fragehorizont; sie hilft Tiefendimensionen auszuloten und bietet Deuteperspektiven auch für die Rezeption von Kunst.Ich sehe die drei als eigenständige Diskurse mit ihren Gesetzmäßigkeiten, die manchmal in produktiver Weise aufeinander treffen, dann aber auch wieder unabhängig voneinander agieren.

Die Furche: Früher hat die Religion die Welt erklärt, die Sinnvorgabe gemacht - und die Kunst stand im Dienst dieser Sinnvorgabe. Heute hat sich dies gewendet, die künstlerische Produktion übernimmt diese Weltdeutungsfunktion und macht damit die Religion bis zu einem gewissen Grad obsolet.

Leisch-Kiesl: Die These, dass die Religion früher die Weltdeutung hatte und die Kunst diese bloß illustriert habe, stimmt so nicht. Selbst in Zeiten starker Verbundenheit, wie etwa im Mittelalter, hatte die Kunst ihre eigene Sprache. Qualitativ verstanden hat die künstlerische Produktion stets genauso stark auf das theologische Denken gewirkt wie umgekehrt. In den verschiedenen Epochen lag und liegt das kreative und innovative Potenzial einmal mehr bei der Theologie, einmal mehr bei der Kunst.

Die Furche: Seit Mitte der 80er Jahre gibt es an der Katholisch-Theologischen Privatuniversität Linz (KTU) mit dem Institut für Kunstwissenschaft einen einzigartigen Ort in der deutschsprachigen Fakultätslandschaft. Was war da die Grundidee, dieses Projekt anzugehen?

Leisch-Kiesl: Die Gründung dieses Instituts ist eng mit dem Namen Günter Rombold verbunden. Rombold - Theologe, Philosoph und Kunstwissenschafter - hat sich in der Nachfolge von Otto Mauer begriffen. Rombold führte das Diktum von Mauer "Das Christentum muss doch etwas Kreatives sein" weiter, indem er forderte, Studierende der Theologie an zeitgenössische Kunst heranzuführen. Theologen müssten fähig sein, zeitgenössische Kunst wahrzunehmen und mit ihr in eine Auseinandersetzung zu treten. Mit der Gründung des Instituts wurde diese Forderung im Studienbetrieb verankert. Seit Sommer 1996 habe ich diesen Lehrstuhl inne. Einerseits ist es gelungen, Studierende der Theologie für die Kunst zu gewinnen. Andererseits habe ich weiter gedacht.

Die Furche: Sie spielen auf die neu errichtete Fakultät an, die im Herbst letzten Jahres den Studienbetrieb aufgenommen hat. Wie sieht das Profil dieses Studiums aus?

Leisch-Kiesl: Den Ausgangspunkt für die Errichtung des Instituts für Kunstwissenschaft und Philosophie (IKP) bildete eine universitätspolitische Überlegung: In Linz fehlen die Geisteswissenschaften. Die KTU nahm hier einen Bildungsauftrag in einem breiteren geisteswissenschaftlichen Sinne wahr. Und die Kirche, konkret die Römische Bildungskongregation, die das Studium zu approbieren hatte, hat diese Chance des Dialoges erkannt. Für die Profilierung waren drei Überlegungen ausschlaggebend: zunächst die künstlerisch-kulturelle Standortbestimmung von Linz, die den Schwerpunkt entschieden auf die Kunst des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart legt. Es war nahe liegend, darauf mit dem Studienprofil zu reagieren. Zum einen entspricht es der Gründungsidee und Praxis meines Instituts, zum anderen erlaubt es eine kunstwissenschaftliche Standortfindung zwischen so traditionsreichen Universitäten wie Wien oder Salzburg. Ein zweites Spezifikum bildet die Suche nach Formen der Interdisziplinarität: primär natürlich zwischen Kunstwissenschaft und Philosophie, weiters mit Theologie, schließlich mit den anderen am Universitätsstandort vertretenen Disziplinen. Ein drittes Kennzeichen ist die Integration einer Projektarbeit im zweiten Studienabschnitt, die helfen soll, bereits im Studium Praxiserfahrungen in möglichen Berufsfeldern zu sammeln.

Die Furche: Zeichnen sich nach dem ersten Jahr bereits spezifische Erfahrungen mit diesem Studienangebot ab? Und welche Berufsbilder hat man im Auge?

Leisch-Kiesl: Wir hatten das Studium am IKP auf eine kleine Zahl hin angelegt, etwa 40 Hörer pro Jahrgang. Gekommen sind im ersten Jahr über 100. Die Hörerschaft setzt sich aus sehr unterschiedlichen Personengruppen zusammen: Absolventen der Gymnasien, die auf ein Berufsziel hin studieren; Akademiker, die nach einem Wirtschafts-oder Jus-Studium eine geisteswissenschaftliche Ergänzung suchen; Berufstätige; Senioren; schließlich Hörer der Kunstuni. An Berufsfeldern eröffnet sich eine große Bandbreite: von Denkmalpflege, Museumswesen, über Journalismus bis hin zu neuen Handlungsfeldern im Wirtschafts-oder Sozialbereich.

Das Gespräch führte Hartwig Bischof.

"... Theologie für die Kunst zu gewinnen"

Monika Leisch-Kiesl studierte Theologie und Kunstgeschichte und übernahm 1996 nach einer Vertretungsdozentur für Kunstgeschichte an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien und einer Gastprofessur für Kunstwissenschaft an der Universität Eichstätt die Professur für Kunstwissenschaft und Ästhetik an der Katholisch-Theologischen Privatuniversität in Linz. Neben der Lehrtätigkeit etablierte sie dort das Ausstellungsprojekt "Im Vorbeigehen", entwickelte den "Kunstbaukasten", ein Kunstvermittlungskonzept für den regionalen Raum und ist als Beraterin bei Neu-und Umgestaltungen von Sakralräumen tätig. Seit 2002 fungiert sie als Herausgebervertreterin der ökumenischen Zeitschrift "Kunst und Kirche". Aufgrund ihrer Initiative und Konzeptionsarbeit nahm im Herbst 2005 die neue Fakultät für Kunstwissenschaft und Philosophie den Betrieb auf und bietet in einem breit angelegten kulturwissenschaftlichen Programm ein spezifisches geisteswissenschaftliches Studium an.

informATIONen: www.ktu-linz.ac.at/ikp

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