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Warum nicht nur die Südtiroler in Italien, sondern auch die Ungarn Rumäniens in ihrer Muttersprache studieren wollen.

Vielleicht war der Titel ja tatsächlich missverständlich: Es geht nicht nur um das Taferlrücken in Klausenburg (Furche Nr. 2, Seite 3), sondern um die Chancen der ungarischsprachigen Staatsbürger Rumäniens auf eine höhere Bildung und ihr Recht, ein Studium in ihrer Muttersprache zu absolvieren. Für diese Möglichkeit freilich ist die Situation an der Universität Klausenburg zentral, wie deren nach der Anbringung ungarischer Aufschriften entlassene Lehrer Péter Hantz und Lehel Kovács bei einer Pressekonferenz in Wien deutlich machen konnten. Schließlich studiert der Großteil der Studentinnen und Studenten mit ungarischer Muttersprache an dieser Universität in Siebenbürgen, wo die Ungarn einen Bevölkerungsanteil von 21 Prozent stellen.

Einsprachig "zweisprachig"

Péter Hantz konnte einen Folder der Universität Klausenburg präsentieren, der an EU-Parlamentarier verteilt wurde. Darin wird die Babes-Bolyai-Universität Klausenburg als multikulturelle Universität vorgestellt und die Existenz zweisprachiger Beschriftungen behauptet - in Wirklichkeit existieren sie nicht, und auch alle Dokumente dieser Universität werden nur auf Rumänisch ausgestellt. Dennoch stimmt es, dass diese Universität einen beachtlichen Reformprozess hinter sich hat und zu den rumänischen Vorzeigeuniversitäten gehört. Nichtsdestoweniger ist es eigenartig, wenn Stimmen, die diesen Reformprozess unterstützen - wie Harald Heppner in seinem Furche-Leserbrief (Nr. 4) - von "Einseitigkeit" sprechen, wenn die "Multikulturalität" dieser Universität als potemkinsches Dorf entlarvt und die Diskriminierung der ungarischen Minderheit in der höheren Bildung offen angesprochen werden.

Natürlich gibt es auch einen Nationalismus auf ungarischer Seite, wie Florian Kührer in seinem Leserbrief (Furche Nr. 4) betont. Allerdings: ohne diesen Nationalismus hätten die Ungarn in Rumänien - wie auch viele andere nationale Minderheiten in Europa - sprachlich und kulturell nicht bis heute überlebt. Immerhin gibt es unter diesen Nationalisten keine Gruppe mit einer vergleichbaren Militanz wie die einstigen Südtiroler "Bumser", aber nicht einmal diese mussten jemals als Argument herhalten, dass die deutschsprachigen Staatsbürger Italiens kein Recht auf eine höhere Bildung in ihrer Muttersprache hätten. Warum also sollten die Ungarn im neuen EU-Mitgliedsland Rumänien nicht das Recht auf europäische Standards bezüglich Minderheitenrechten haben? Mit 1,5 Millionen stellen sie immerhin nach den Katalanen in Spanien die zweitgrößte autochthone (eingesessene) Minderheit in Europa dar.

In der Bildung benachteiligt

Tatsächlich jedoch ist ihre Benachteiligung dramatisch: Obwohl die ethnischen Ungarn 6,6 Prozent der Gesamtbevölkerung Rumäniens stellen, macht ihr Anteil unter den Studenten nur 4,4 Prozent aus. Der Grund: Sie haben weniger Chancen auf eine Matura, weil sie an der rumänischen Sprachprüfung scheitern, die sie auf muttersprachlichem Niveau ablegen müssen. Zumindest in den fast durchgehend ungarisch besiedelten Gebieten gibt es jedoch viele Kinder, die in der Schule zum ersten Mal mit Rumänisch konfrontiert werden. Wer trotzdem an die Universität kommt, muss sein Studium meist auf Rumänisch absolvieren - nur 1,6 Prozent aller Studentinnen und Studenten Rumäniens können auf Ungarisch studieren.

Im internationalen Vergleich bieten sich zwei Modelle an, um einer ethnischen Minderheit das Studium in ihrer Muttersprache zu ermöglichen: eine eigene Universität für die Minorität, wie sie beispielsweise die Katalanen in Spanien, die Albaner in Mazedonien, die Schweden in Finnland oder die Ungarn in der Slowakei haben, oder eine zweisprachige bzw. multikulturelle Universität, wie dies etwa den Basken in Spanien, den Walisern in Großbritannien oder den Südtirolern in Bozen möglich ist. Tatsächlich (und nicht nur nominell) multikulturell ist eine Universität dann, wenn mindestens zwei Sprachen gleichrangig sind und daher auch die Angehörigen der Mehrheitsbevölkerung die Sprache der Minderheit erlernen müssen.

Der Physiker Péter Hantz machte in Wien klar, dass er und eine große Gruppe ungarischer Hochschullehrer sich für die Wiedererrichtung der ungarischen Bolyai-Universität in Klausenburg (rumänisch Cluj-Napoca, ungarisch Kolozsvár) einsetzen, die 1959 unter Ceausescu mit der rumänischen Babes-Universität zwangsvereinigt wurde. Weil sie jedoch Realisten sind und wissen, dass sich dieses Ziel kurzfristig nicht realisieren lässt, fordern sie als ersten Schritt ungarische Fakultäten. Damit sind sie keine "ungarischen Separatisten", wie Florian Kührer befürchtet, sondern das ist die einzige Möglichkeit, wie die Minderheit über ihre universitäre Bildung selbst entscheiden kann und nicht nur vom guten Willen der Mehrheit abhängig ist. In den Gremien der derzeitigen Fakultäten können ungarische Anliegen von der rumänischen Mehrheit jederzeit überstimmt werden.

Auf Ungarn angewiesen

Derzeit sind viele ungarische Staatsbürger in Rumänien darauf angewiesen, dass ihnen der ungarische Staat ein Studium in ihrer Muttersprache ermöglicht. 2000 bis 3000 von ihnen, so die Schätzung von Péter Hantz, studieren in Ungarn - und viele von ihnen kehren nicht mehr nach Rumänien zurück. Andere studieren an der nur von Ungarn finanzierten Universität "Sapientia" oder der noch kleineren "Partium" - an beiden Anstalten kann nur eine sehr begrenzte Anzahl von Fächern angeboten werden. Ingenieurswissenschafen, Jus, Land-und Forstwirtschaft oder Veterinärmedizin etwa können nur an den staatlichen Universitäten auf Rumänisch studiert werden.

Um das zu ändern, setzt die Gruppe um Péter Hantz auf ein Netzwerk mit anderen ethnischen Minderheiten und vor allem auf den Europarat und die EU, die hoffentlich Konflikte nicht unter den Teppich kehren will, die dann nur umso vehementer zum Tragen kommen. Und wer sich an der tatsächlich bisweilen gegebenen Instrumentalisierung der ungarischen Minderheit durch den ungarischen Staat stößt, sollte bedenken, dass dem das Wasser abgegraben wäre, wenn die ungarischsprachigen Staatsbürger Rumäniens Minderheitenrechte von europäischem Standard hätten - auch und gerade in der höheren Bildung.

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