Auch heute: "Der Geist weht, wo er will"

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Von Karl Rahner Warum sich auch "unbeamtete" Christen in der Kirche zu Wort melden sollten, die furche, 9. 6. 1962

Soll der Geist nicht ausgelöscht werden, dann bedarf es einer richtigen und mutigen Interpretation des kirchlichen Gehorsams. Dieser ist eine heilige Tugend. Der Geist Christi in der Kirche weist sich aus Gehorsam vor dem Amt der Kirche. Es gibt keinen echten Geist Christi, der aus der Kirche der Bischöfe, des Papstes, des Amtes hinausführt. Aber wenn es wahr ist, dass der Geist Gottes in der Kirche nicht nur durch das Amt, sondern auch durch die Unbeamteten, von ihnen her auf das Amt die Last des Charismas schenkt (und es wäre besser, es würden sich mehr Leute in der Kirche zutrauen, daß der Geist ihnen solchen Empfang zutrauen könnte), auch das Recht und die Pflicht, sich nicht einfach hinter ein stummes und im Grunde bequemes, gar nicht wirklich demütiges Parieren zu verstecken, sondern zu sprechen, zu rufen, ihre Meinung, die durchaus die des Geistes Gottes sein kann, auch vor dem Amt der Kirche kundzutun, immer auf neue, auch wenn sie lästig fallen, auch wenn es "oben" nicht genehm ist, auch wenn sie das Leid des Charisma zu tragen haben: Verkennung, vielleicht sogar Maßregelung. Nicht dort, wo ein totalitäres Regime exerziert würde, ist der Geist des wahren Gehorsams, sondern wo mitten im gemeinsamen Kampf um den Willen Gottes vom Amt das nicht amtliche Walten des Geistes respektiert und vom Charismatiker in Treue zum eigenen Auftrag das Amt gehorsam respektiert wird und Gott und Er allein aus diesem notwendigen Antagonismus und Pluralismus der Geister und Aufgaben und Dienstleistungen in der Kirche die Kirche und ihre wahre von Gott gewollte Geschichte auferbaut, die auch anders aussieht als so, wie sie in den amtlichen Plänen des kirchlichen Amtes ausgedacht worden war, mit Recht und pflichtschuldig geplant war.

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