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Die Weisheit und die Torheit

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In der Person des heiligen Franziskus von Assisi hat Gott die Kirche sowohl gewarnt wie versucht. Die Warnung: daß die unsichtbare Macht des Heiligen Geistes und die Armut an „Welt" nicht unterschätzt werden dürfen. Die Versuchung aber liegt darin, daß die Kirche sich aller äußeren Macht begeben möchte, um allein dem Geiste und im Geiste Gott zu dienen. In unserer Zeit, da die Weltgewalt immer selbständiger wird und von der Kirche Christi immer weniger Notiz zu nehmen scheint, kann diese Versuchung zur müden Ergebung noch größer sein als zu Zeiten der großen Päpste und Kaiser in ihrem Streit um die beiden Schwerter. Man möchte „Feuer in Gottes Haus werfen“: wir selbst sollten es tun, um in Geist und Armut zu leben. Darf dies der Mensch? Wir dürfen die Geschichte der Welt und die der Kirche nicht mit einem Kurzschluß beenden. Das kann nur Gottes Blitz: der wird in das Haus Gottes fahren — am Ende der Zeiten. Bis dahin sind die Aemter gesetzt und „das Amt ist auf die Welt gewendet und hat die Gestalt der Welt". Darin zeigt sich die stets vorläufige und immer den Zeitenwenden unterstellte Gestalt der sichtbaren Kirche. Die Versuchung zu einer Geist-Kirche muß durch das ständige und bleibende Amt i n seinen ständig wechselnden Formen überwunden werden. Der Papst Innozenz III. muß seinen historischen Weg gehen: er ist Amt. Der heilige Franziskus muß seinem Rufe folgen. Sowohl in der Ordnung Gottes wie im persönlichen Rufe Gottes liegt Gottes Wille, dem nur der vitale Gehorsam des einzelnen an seinem Platze antworten kann. Die zwei Schwerter — sie sind wie Macht und Gewalt, wie Geist und Welt und gehören in unser Dasein bis zur Stunde, da der Herr wiederkommen wird. Reich Gottes und Reich des Kaisers sind wie Leib und Seele: zweierlei und doch eins. Aber „die Weisheit und die Torheit werden niemals eins". —

Reinhold Schneider hat sein immer wiederholtes Problem der Macht in diesen Zusammenhang gestellt. Er schrieb es in Form eines Dramas. Zur Aufführung ist es wohl kaum geeignet — weil letztlich sein Schluß falsch ist. Papst Innozenz darf nicht zum heiligen Franz’ sagen: „Du bist das Reich. Du allein." Es ist also ein Lesedrama, das, abgesehen von einigen Längen — das Aergernis des Evangeliums auf eine neue Weise deutlich macht. Und es ist gut, sich des Aerger- nisses immer wieder neu bewußt zu werden. Wir brauchen Warnungen und Versuchungen, um weiterhin auf den kommenden Herrn warten zu können.

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