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Baumeister der geistigen Welt

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HADRIAN. Sein Leben und seine Zelt. Von Stewart Perowne. Aus dem Englischen von Hannelore Wllken. Verlag C. H. Beck, München 1966. 240 Selten und 8 Tafeln. Leinen DM 15.8(1.

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HADRIAN. Sein Leben und seine Zelt. Von Stewart Perowne. Aus dem Englischen von Hannelore Wllken. Verlag C. H. Beck, München 1966. 240 Selten und 8 Tafeln. Leinen DM 15.8(1.

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Das Interesse für alte Geschichte ist in unseren Tagen, in denen sogar die eigene Geschichte auf die Zeit nach 1955 beschränkt werden soll, nicht gerade intensiv, sehr zum Schaden der Bildung, denn vom Altertum gibt es noch immer manches zu lernen. Aus der römischen Kaiserzeit wissen viele wohl einiges über Nero, Caligula und die zehn Christenverfolgungen, doch verhältnismäßig wenig von den überragenden Herrschern wie auch von Hadrian, der fast 21 Jahre ein Weltreich mit unleugbarem Erfolg regiert hat. Die klassisch zu nennende Darstellung dieses Kaisers durch Perowne zeigt das Bild eines Staatsmannes, der die Reichsverwaltung mit föderalistischen Zügen reformierte, als Jurist Gesetzsammlungen anzulegen begann, der seinen Herrschaftsbereich von England bis Ägypten und von Spanien bis Arabien unermüdlich bereiste, der als Feldherr den Hadrianwall schuf und der Landesverteidigung stabile Abgrenzungen gab, als Architekt in Rom und in den Provinzen heute noch, wenn auch nur in ihren Ruinenresten, bestaunte Bauten aufführen ließ, der schließlich als Philosoph und Humanist die Künste förderte und alles in allem zu den „Baumeistern der geistigen Welt“ zu zählen ist. Er begründete das Antoninische Zeitalter, das mit seinen sechs Jahrzehnten von 117 bis 180 als die glänzendste Periode der römischen Kaiserzeit betrachtet wird.

Vielfach neue Auffassungen findet der Leser in den religionsgeschichtlichen Kapiteln, deren Text allerdings nicht überall mit der katholischen Terminologie übereinstimmt. Noch waren zu Hadrians Zeiten Juden und Christen nicht, in allem getrennt, da aber die Juden durch ihren Aufstand den Staat herausforderten, verfielen sie der Unterdrückung und Verfolgung, während sich die Christen, denen Hadrian kaum ein Interesse zuwandte, gleichzeitig sammeln und stärken konnten. Derart trug Hadrian, der auch den Polytheismus durch die Vergöttlichung des Antinous aushöhlte, ungewollt zum Aufstieg des monotheistischen Christentums bei. Wer Perownes Geschichtsgemälde aus der Zeit heraus in sich aufnimmt, wird die Mentalität des damaligen römischen Reiches erfassen und verstehen, daß nicht unbeträchtliche Schattenseiten, wie sie sich in Greuelmethoden und für uns abwegigen Moral- und Sittenbegriffen manifestieren, eben zeitbedingt zu werten sind. Im übrigen wirft sich die Frage auf, ob es — vom technisch-zivilisatorischen Fortschritt abgesehen — seit Hadrian einen geistigen, moralischen und sittlichen Fortschritt gibt? Ob nicht die Greuelmethoden und der Moralverfall des 20. Jahrhunderts an die gleichen Erscheinungen des Altertums merklich heranreichen? Daß des Verfassers geistreiches Werk zu solcher Überlegung anregt, ist ihm als Verdienst anzurechnen.

Die Bearbeitung des „Hadrian“ stellt eine imposante wissenschaftliche Leistung dar, sind doch die Quellen — Papyri, Münzen und Inschriften — mehr als dürftig. Auf die aufschlußreiche Art, an Hand der Münzen geschichtliche Vorgänge aufzuhellen, sei der Leser besonders aufmerksam gemacht. Die einschlägige moderne Literatur reicht bis 1962. Perownes in deutscher Übersetzung gebotene Hadrian-Biographie erfüllt insofern ein Anliegen der allgemeinen Bildung, als sie in meisterhafter Kürze einen schwer überblickbaren Stoff ungemein verständlich macht. Unter den Bildern sind die baulichen Hauptschöpfungen — das Pantheon, die Engelsburg und die Villa Hadriana in Tivoli — nicht vergessen.

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