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Bergbauern in den Tälern des Himalaya

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Wenn Politiker aus dem Ausland den König von Bhutan besuchen, müssen sie in ihren Staatskarossen hinter einem Pulk von betenden Mönchen und schaurig maskierten Tänzern herzuckeln. So schreibt es die buddhistische Tradition vor und in Bhutan ist der Buddhismus Staatsreligion. Auch das Alltagsleben in dem abgeschiedenen Himalaya-Staat wird wesentlich durch die. Begeln und die allgegenwärtige Präsenz des Mahayana-Buddhismus bestimmt: Auch heute noch bringt jede Bauernfamilie nach dem Pflügen am hauseigenen Altar Opfer dar: für jene Krdgötter, die in ihrer Buhe gestört wurden.

Westliches Profitdenken ist vielen Bewohnern von Bhutan fremd, wie Jigmi Y. Thinley, bhutanischer Botschafter in Genf, erzählt: Vor Jahren wollte die Begierung eine neue Beis-anbaumethode einführen, die drei Ernten statt einer pro Jahr ermöglicht. Erst nach langer Suche fanden Begierungsvertreter überhaupt eine Familie, die sich bereit erklärte, die neue Anbauweise zu erproben. Zweimal wurde eine reiche Ernte eingebracht; schon waren die Initiatoren sicher, daß sich bald auch andere Bauern die neue Methode zunutze machen würden. Doch zum Erstaunen der Begierungsvertreter weigerte sich die vermeintliche Vorzeigefamilie, noch ein drittes mal zu pflanzen: „Wir haben genug Beis”, erklärten sie. Eine Begebenheit mit Gleichnischarakter.

Im Museum für Völkerkunde in Wien ist derzeit unter dem Titel „Festung der Götter” eine große Ausstellung über das faszinierende Königreich zu sehen. Die Schau ist laut Lyonpo Dago Tshering, Bhutans Minister für innere und kulturelle Angelegenheiten, die größte Ausstellung über das Land, die jemals außerhalb Bhutans zu sehen war. Dem hat auch das Museum für Völkerkunde in einem schier übermenschlichen Kraftakt Bechnung getragen: „Erstmals in der Geschichte des Museums haben wir längere Öffnungszeiten”, brüstet sich Direktor Peter Kamm: von zehn bis 18 Uhr. Ganze sechs Stunden täglich - eine Revolution!

Der Höhepunkt der Ausstellung ist die legendäre „Rabenkrone”, die der Vater des ersten Königs 1865 im Krieg gegen die Briten trug. Seine Form geht auf die Schutzgottheit Mahakala zurück, die dem Adeligen als Rabe erschien. Für die Wiener Ausstellung verließ der Prunkhelm erstmals das Himalaya-Land. Aufgrund der großen Rolle der Religion in Bhutan ist es für Ethnologen nicht so einfach, Ausstellungsstücke zu sammeln: Für den prächtigen Altar, der in Wien zu sehen ist, mußte an Ort und Stelle ein gleichwertiger Ersatz gebaut werden, denn der Altar war noch in Betrieb. Auch eine traditionelle Küche zu kaufen, erwies sich als schwierig: Wer seine Küche verkauft, verkauft auch das Glück des Hauses, wurde den Völkerkundlern erklärt. So mußten sie die Bestandteile des typischen bhutanischen Haushaltes einzeln zusammenkaufen.

Bhutan war über lange Zeit nach außen abgeriegelt. Eine sechstägige Anreise, teils zu Fuß, teils auf Yaks, mußte der indische Premierminister Jawa-haral Nehru auf sich nehmen, als er 1958 den bhutanischen König in seinem Land besuchte. 1960 gab es zwei ausgebildete Ärzte im Land, zwei Jahre später war die allererste Straße des Landes fertig. Doch noch heute leben die meisten Menschen ohne Elektrizität. Ihre Häuser bestehen nur aus zwei Räumen: In einem befindet sich der Hausaltar, im anderen die Feuerstelle. Kamin gibt es keinen. Zum Schlafen legen sich die Hausbewohner einfach auf den Boden dieser Bauchkuchl.

Bhutan ist ein armes Land, aber es herrscht kein lend: „Eine Armut wie bei Tiroler Bergbauernfamili-en vor einem Jahrhundert, nicht wie in den Slums von Kalkutta”, vergleicht der österreichische UNO ner.

Politisch erfreut sich das Königreich großer Stabilität, nur ein Minderheitenproblem birgt viel innenpolitischen Sprengstoff: Seit Anfang dieses Jahrhunderts siedelten sich im kleinen tropischen Südteil des Landes nepali-stämmige Hindus an. 1958 beschloß die Regierung, die Einwanderung zu stoppen, verlieh aber allen bislang Zugezogenen die bhutanische Staatsbürgerschaft. Wer nicht nachweisen konnte und kann, vor 1958 ins Land gekommen zu sein, gilt als illegaler Einwanderer beziehungsweise Wirtschaftsflüchtling, der das Land nie betreten hat und wird dementsprechend behandelt. Das schlägt sich auch in den Einwohnerzahlen nieder: Nach offiziellen Angaben leben 675.000 Menschen in Bhutan, nach UNO-Schätzungen 1,7 Millionen.

Österreich ist eines der wenigen Länder dieser Erde, das Beziehungen zu Bhutan unterhält. Bhutan ist ein Schwerpunktland der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (ÖE). In den sechziger Jahren begann Bhutan, sich nach außen zu öffnen, auf die Erhaltung der kulturellen Identität wurde jedoch stets größter Wert gelegt. Österreich hilft dem Himalaya-Land bei seiner schwierigen Gratwanderung: jene Aspekte der Modernisierung, die gewünscht sind, zuzulassen und die ungewünschten zu vermeiden.

Wasserkraft ist die größte Ressource des Landes. Mit österreichischer Hilfe werden derzeit zwei Wasserkraftwerke errichtet. Bhutan ist zu 72 Prozent von Wald bedeckt, der zum größten Teil noch völlig intakt ist. Hier bringt Österreich seine Erfahrungen in ökologischer Forstwirtschaft ein. Der Tongsa Dzong, eine riesige Klosterburg und eines der bedeutendsten Bauwerke des Landes ist vom Zusammenbruch bedroht. Hier helfen österreichische Architekten, das einzigartige Baudenkmal zu erhalten.

Auch auf dem Gebiet des Tourismus unterstützt Österreich Bhutan mit Know-how. Doch Bhutan hat schon den Weg gefunden, wie es dem Massentourismus, der sich ja stets kulturell und ökologisch katastrophal auswirkt, Einhalt gebietet: Nur rund 6.000 Touristen pro Jahr dürfen das Königreich besuchen - gegen eine Tagesgebühr von 200 Dollar.

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