6758579-1968_05_04.jpg
Digital In Arbeit

FRANZ S0R0NICS / EIN MINISTER ALS „PENDLER“

Werbung
Werbung
Werbung

Ihm geht der Ruf voraus, ein ausgezeichneter Verwaltungsfachmann zu sein: Franz S or o- nies, neuer Innenminister im neuen Kabinett, ist selbst öffentlich Bediensteter. Der heute 47jährige Burgenländer stamm i aus Eisenstadt, trat 1938 in den Landesdienst, rückte 1939 zur Wehrmacht ein, wurde vor Stalingrad schwer verwundet. Nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft meldet sich Franz Soronics wiederum bei seiner Dienststelle, legt die Mittelschulprüfung und die Prüfung der Staatsverrechnung ab.

Und so schien die Karriere des schweigsamen Eisenstädters vorgezeichnet: eine angesehene Position, die ihm gesellschaftliche Stellung und Anerkennung ein- bringen würde. Für Soronics freilich zuwenig. Er findet nach 1945 rasch in die Politik, zunächst, seit 1950, als Gemeinderat und Stadtrat seiner Heimatstadt, seit 1956 im. Bundesrat, seit 1959 im Nationalrat.

Im Burgenland regierten noch die „großen alten Männer“. Der Abgeordnete Soronics machte eben inzwischen in Wien Karriere. In der Bundespolitik war man schon längst auf ihn aufmerksam geworden, auf den eleganten Mann aus dem Burgenland, hinter dessen kühler Distanz — manche, die die Redseligkeit in der Politik vorziehen, wußten nie so recht, was sie von ihm halten sollten — sich Entschlossenheit verbarg, Entschlossenheit und Mut, einen einmal eingeschlagenen Weg unter allen Umständen zu Ende zu gehen.

Wie war es denn 1963: Im Innenministerium war ein Mann auf den Ministersessel gesetzt worden, vor dem nicht wenige Österreicher, nicht wenige selbst seiner eigenen Genossen, heimlich zuerst und bald recht offen, Angst zeigten. Franz Ol ah war damals im Zenit seiner Macht. Die OVP schickte Franz Soronics in die „Herrengasse", als Staatssekretär. Und Soronics zögerte nicht, das Amt zu übernehmen. Sah sich um, merkte bald, was gespielt wurde. In jene Jahre reicht das Vertrauen vieler Beamter der Polizei und der Gendarmerie zu ihrem heutigen Minister zurück, als sie merkten, im Staatssekretär jemanden zu haben, der sie vor der oft recht deutlichen Willkür Olahs in Schutz nahm. Als Olah schließlich seiner eigenen Partei zu stark geworden war, gestürzt wurde, blieb Soronics auch unter dessen Nachfolger Hans Czettel Staatssekretär.

Nach dem 6. März 1966 übersiedelte Franz Soronics auf den Wiener Stubenring, ins Sozialministerium, wieder als Staatssekretär. Nicht als Gehilfe des Ministers, oder als Aufpasser. Soronics übernahm vielmehr eine ganze Reihe von Kompetenzen in der Alleinverantwortung, etwa die der Volksgesundheit oder die der Sorge um die Kriegsopferrenten. Vieles, was lange steckengeblieben war, konnte er verwirklichen oder zumindest in die Wege leiten. Weniger in die Öffentlichkeit gedrungen ist allerdings die Tatsache, daß sich der Staatssekretär auch die Personalangelegenheiten des gesamten Ressorts Vorbehalten hatte, sehr zum Milbehagen jener Beamter, die aus ihrer Stellung bisher eine politische Pfründe zu machen gewußt hatten. Das be fürchtete „Köpferollen" blieb freilich aus. Mißstände — nicht zuletzt bei allzu großzügig bemessenen Dienstfreistellungen — wurden jedoch mit allem Nachdruck abgestellt, eine Tatsache, die bemerkenswerterweise auch von der Gewerkschaft der öffentlich Bediensteten lauthals begrüßt wurde.

Nun also wechselt der Eisenstädter mit dem unbeweglichen „Pokerface“ — nur seine Freunde kennen ihn auch anders — zurück in jenes Ministerium, in dem er unter schwierigsten Umständen schon einmal drei Jahre lang als Staatssekretär Dienst getan hat. Der Ruf eines Fachmannes der Verwaltung und des rationellen Personaleinsatzes geht ihm auch dorthin voraus. Umständlich angekurbelte Ver- waltungsreform scheint es keine zu brauchen, denn dem neuen Minister macht man so leicht nichts vor. Seine Burgenländer — er ist Landesobmann des ÖAAB — hätten ihn freilich lieber als Wahllokomotive im Land gehabt. Nun, das muß er eben von Wien aus sein. Und so ist ein Regierungsmitglied vielleicht der prominenteste „Pendler“, der nur übers Wochenende nach Eisenstadt kommt. Immerhin: auch ein Aero-Club-Präsident — sozusagen ein Steckenpferd des „Ministers — kommt nicht schneller von Wien in die Heimat.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung