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„Injektionen“ für das Selbstbewußtsein

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Beobachter des politischen Lebens im Burgenland bringen die Überzeugung zum Ausdruck, daß sich der „Bauernlandesrat“ in die Rolle des Spitzenkandidaten hineingelebt hat. Gerade in der letzten Zeit fiel Polster durch einen sachlichen und besonnenen Ton auf. Freilich hat es ein Landeshauptmannstellvertreter immer schwer, sich gegenüber dem Regierungschef zu behaupten. Vor derselben Schwierigkeiten standen früher die Stellvertreter der SPÖ. Dies trifft besonders bei einem Landeshauptmann zu, der wie Kery alle verfassungsrechtlichen Möglichkeiten ausschöpft, um das Amt des „Landesvaters“ aufzuwerten und in das Licht der Öffentlichkeit zu rük-ken. Polsters Handikap liegt darin, daß er sich, wie in Parteikreisen bemerkt wird, eigentlich nie um die Parteiarbeit viel gekümmert hat. Sein Interesse galt dem Ressort, dem er vorstand, der Landwirtschaftskammer und dem Genossenschaftswesen. Hier hatte er seine Hausmacht und das Feld seiner Leistungen. Vielfach wird die Meinung geäußert, man würde Polster überfordern, wollte man von ihm erwarten, daß er der Partei „Injektionen“ verabreiche, die ihr Selbstbewußtsein beleben und stimulieren. Nebenbei gesagt darf dies ebensowenig von Bundeskanzler Klaus erwartet werden, der gerne im Burgenland verweilt. Mit ihm will man — wie es oft in Parteikreisen heißt —, wenn alle Stricke reißen, die Wahl gewinnen. Es wäre leichtfertig, sich der Hoffnung hinzugeben, daß der SPÖ-Bezwinger auf Bundesebene ebenfalls im Burgenland zum SPÖ-Zwinger eingesetzt werden könnte.

Wahlpolitische Situationen wiederholen sich nicht. Jeder Wahlkampf muß, soll er gewonnen werden, voraussetzungslos, ohne auf vorausgegangene Siege zu setzen, geführt werden. Injektionen, die das Selbstbewußtsein der Partei heben sollen, dürfen nicht erst einige Wochen vor der Wahlentscheidumg verabreicht werden. Die Atmosphäre, die derzeit in der ÖVP herrscht, verrät Unentschlossenheit, Schwung-losigkeit und Angst vor der eigenen Courage.

Im vergangenen Jahr hatte man den Eindruck, daß Staatssekretär Soronics dann mit Erklärungen hervortritt, wenn sonst niemand von der Parteiführung zu einer aktuellen oder drängenden Frage Stellung nimmt. Als Landesobmann des ÖAAB und Staatssekretär bietet sich ihm naturgemäß öfter die Gelegenheit, vor Funktionären zu sprechen und aktuelle Probleme anzuschneiden. Die Autorität seines Regierungsamtes untermauert die politischen Erklärungen in der Öffentlichkeit. In letzter Zeit hat man allerdings nicht mehr den Eindruck, daß Soronics nur aus einer Verlegenheitssituation heraus das Wort ergreift, sondern sich souverän zu Wort meldet und gleichsam legitim bestimmte landespolitische Führungsaufgaben in der burgenländischen ÖVP übernimmt, besonders dann, wenn sie inneren Bezug zur Bundespolitik haben.

Das verstärkte souveräne Führungsengagement des Staatssekretärs legt man in SPÖ-Kreisen dahingehend aus, daß Soronics Landes-hauptmannstellvertreter Polster als Spitzenkandidaten ausmanövrieren möchte. Davon kann keine Rede sein. Aber das Führungsmanko in der burgenländischen ÖVP kann nicht geleugnet werden. Solange sich dieser Zustand nicht ändert, muß die Partei froh sein, daß Soronics vor der Öffentlichkeit Führungsaufgaben wahrnimmt und das Wollen der burgenländischen ÖVP bei drängenden Problemen formuliert. Das war bei der Studiofrage, der Esterhazy-Frage, der ölfrage und anderen landespolitischen Anliegen der Fall.

Soll die ÖVP des Burgenlandes neues Selbstbewußtsein vor der Landtagswahl gewinnen, braucht sie eine „Injektion“, die den Parteiorganismus innerlich formiert und die Führungspotenz der Partei mobilisiert.

Darüber, wer der Partei die belebenden Injektionen geben soll, gibt es keine Einhelligkeit. Die einen erwarten sie von Polster, andere wieder schwören auf den ÖAAB und Soronics. Bestimmte Kreise setzen ihre Hoffnung auf die „Aktion 20“. Zweifelsohne verfügt die Partei in der A 20 über ein geistiges Potential, das nicht brach liegen darf. Aber man klagt darüber, daß die Parteiführung gegenüber den neuen Ideen der A 20 sehr zurückhaltend ist.

Angesichts des profilierten Führungsengagements von Landeshauptmann Kery kann die ÖVP ihrerseits auf eine Persönlichkeit, die den Führungswillen der Partei repräsentiert, nicht verzichten. Wenn auch die Volkspartei die Landtagswahl als Partei und nicht mit einer charismatischen Persönlichkeit gewinnen will, braucht sie einen Mann, der sie in landespolitischer Hinsicht wirksam führt. Polster oder Soronics, einer von beiden, muß die Führungsrolle bei der Interpretation und bei der Klarstellung von landespolitischen Problemen öffentlich wahrnehmen. Es geht nicht bloß um die Führung der Partei. Diese ist in der Hand des Altlandeshauptmannes Lentsch. Es geht um klare Führung bei landespolitischen Zielsetzungen, um Reaktionen auf Erklärungen des sozialistischen Landeshauptmannes und anderer Sozialisten. Altlandeshauptmann Lentsch, der in der Rochusstraße als Landesparteiobmann residiert, kann wahrscheinlich diese Aufgabe auf Grund des Dualismus, der in der Partei seit einem Jahr herrscht, nicht wirksam wahrnehmen. Es geht nicht an, daß einmal der eine und dann wieder ein anderer Erklärungen abgibt, noch dazu ohne vorherige Absprache, so daß man hinterher den Eindruck hat, einer habe den anderen korrigiert.

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