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Frischer Wind im Burgenland

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Mit Festfeiern in Eisenstadt und Oberwart, die unter dem Motto, „20 Jahre ÖVP“ standen, empfahl sich die burgenländische ÖVP zu Beginn der. Herbstarbeit als eine Partei mit einer ruhmreichen Vergangenheit und einer hoffnungsvollen Zukunft. Um dies zu unterstreichen und zu bestätigen, schickte die Bundes-ÖVP ihre zwei Besten zu den Feiern ins Burgenland. Bundespar-teiobmann Dr. Klaus sprach im Eisenstädter Haydn-Saal und Generalsekretär Dr. Withalm in Oberwart. Das Burgenlandjubiläum kam der ÖVP des Burgenlandes wie gewünscht. Es bot sich als Bühne an, auf der sich eine Partei, die daran ist, sich neu zu formieren und die Schlappe des Jahres 1963 zu überwinden, den Wählern und der Öffentlichkeit präsentieren konnte. Dabei sollte deutlich dokumentiert werden, daß die Partei entschlossen ist, wieder die Mehrheit im Lande zurückzuerobern.

Lentsch redivivus

In den letzten Wochen ist bereits aufgefallen, daß der Parteiapparat der burgenländischen ÖVP über Nacht zu neuem Leben erweckt wurde und mit neuer Dynamik zu arbeiten begann. Altlandeshauptmann Josef Lentsch, der seit Februar 1963 wegen seiner schweren Krankheit als Landesparteiobmann nicht aktions- und einsatzfähig war, hat anfangs September seine Arbeit aufgenommen und ist wieder der Kopf und der Motor der Parteizentrale. Da er sonst kein öffentliches Amt bekleidet, kann er sich jetzt voll und ganz der Partei widmen.

So war das erste Auftreten des gewählten Landesparteiobmannes vor der Öffentlichkeit bei der Feier in Eisenstadt für die Teilnehmer ein sichtbarer Beweis dafür, daß die Partei wieder im Besitz des legitimen Führungsorgans ist und dadurch Handlungsfähigkeit besitzt. Es ging ein erleichtertes Aufatmen durch die Reihen, als Lentsch an das Rednerpult trat und die Festfeier eröffnete. Was die Partei im Augen- , blick nach fast zweijähriger Aufteilung des Machtzentrums in „Herzogtümer“ und „Grafschaften“ braucht, ist leine starke Führung und innere und äußere Geschlossenheit in ihrer Willensbildung und bei ihren politischen Absichten. Es ist klar, daß durch den Amtsahtritt von Lentsch die Richtungsfragen in der Partei wieder akut geworden sind. Nachdem seit der Wahlniederlage und der Krankheit des Landesparteiobmannes die Macht in der Partei zwischen Soronics, dem geschäftsführenden Landesparteiobmann, und Reinhold Polster, dem Landeshauptmannstellvertreter, geteilt war und diese beiden Männer die politische Linie bestimmten, kommt nun durch Lentsch wieder Bewegung in das Parteileben.

Der Parteiapparat muß sich erst auf die neue Lage einspielen. Auch die Männer der ÖVP in Regierung und Landtag müssen sich erst daran gewöhnen, bei ihren Entschlüssen und Absichten das Einvernehmen mit dem legitimen Machtzentrum der Partei herzustellen und diese Parteiinstanz zu respektieren. Wie der mächtige Applaus, die lang anhaltenden Sympathiekundgebungen und Ovationen des Parteivolkes im Haydn-Saal zeigten, wünscht es, daß Lentsch die Zügel fest in die Hand nimmt und uneingeschränkt seine Funktion ausübt.

Aufbau von unten her

Lentsch steht wieder, wie vor seiner Krankheit, idealistisch und zuversichtlich in der Parteiarbeit, von einem missionarischen Drang erfüllt, die Partei wieder zur Mehrheit zu führen. Beim Fußvolk der Partei besteht allerdings die Gefahr, daß man sich Illusionen und Erwartungen hingibt, die Lentsch nicht erfüllen kann. In der Politik darf man nicht mit „Wundern“ rechnen, sondern einzig und allein mit Leistungen, die wieder nicht ein Einzelner vollbringen kann, sondern nur die Partei als aktives Ganzes. Will die ÖVP wieder die Mehrheit erreichen, bedarf sie eines geschlossenen Führungsteams auf Landesebene, sonst werden alle Programme und Absichten fromme Wünsche bleiben.

Es geht um eine innere Erneuerung der Partei, die ihre Energien mobilisiert und der Partei die Kraft gibt, innere Trägheit und bürgerliche Lethargie zu überwinden, um eine neue Anziehungskraft vor allem auf die Jugend auszuüben. Die Partei muß, bevor sie in den Landtagswahlkampf tritt, neu integriert werden. Wie sie sich heute darbietet, ist sie zuwenig entwickelt. Die Partei muß ein geistiges Ganzes, ein Organismus werden, der von einem gemeinsamen Ziel fasziniert ist und dieses ohne Partikularinteressen von Bünden und machtpolitischen Einzelgängern anstrebt. In der burgenländischen ÖVP hat sich nämlich in letzter Zeit eingebürgert, Politik bei exklusiven Tafelrunden einiger „Parteiherzöge“ zu machen. Eine Volkspartei darf aber die Beschäftigung mit aktuellen Fragen der Politik nicht illegitimen Zwischeninstanzen mit Sonderinteressen überlassen. Die Willensbildung muß von unten her erfolgen und bedarf der Artikulation durch die statutengemäße Spitze.

Derzeit ist es in der burgenländischen ÖVP oft so, daß die Sach- und Personalfragen nach Bedarf von Einzelpersönlichkeiten von oben nach unten manipuliert werden. Die Parteiarbeit überläßt man nicht selten einigen wenigen im Parteisekretariat. Wo es um die Gewinnung der Einzelmenschen für die Partei geht, verläßt man sich auf die Arbeit der Ortsparteileitungen. Noch nie hat es in der burgenländischen ÖVP eine derart starke Ämterkumulierung bei den Spitzenpersönlichkeiten der Partei gegeben, wie es heute anzutreffen ist. Das blockiert die Parteiarbeit, ja legt sie sogar auf verschiedenen Gebieten lahm.

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