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Das Burgenland wählt

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Die Wahlprogramme, die von der ÖVP und von der SPÖ zu den Landtagswahlen vorgelegt wurden, sind in der Wahlauseimandersetzung der letzten Wochen nicht zum Tragen gekommen. Sachfragen spielten im Wahlkampf, der in der zweiten Phase auf beiden Seiten ganz auf eine Personalwahl eingestellt wurde, kaum eine Rolle. Kleine Gefechte gab es wegen der Esterhazy-Frage und der Novellierung des Fremdenverkehrsgesetzes. Die ÖVP hatte ein Wahlprogramm vorgelegt, dessen Details eine Sachdiskussion verdient hätten. Das gilt besonders von der Schaffung von Industriezonen und raumpolitischen Schwerpunktbildungen im Burgenland.

Im Trubel des Anti-Kery-Rummels sind wichtige Punkte des ÖVP-Pro- gramms unter den Tisch gefallen. Die Öffentlichkeit ist wenig damit konfrontiert worden. Einer der seltenen und unverdrossenen Dolmetscher des ÖVP-Wahlprogramms war Landesparteisekretär Hans Erhardt.

Kery und Polster

Seitdem Landeshauptmann Kery von Gemeinde zu Gemeinde zog, wurde das schlagartig anders. Seine Reden brachten die ÖVP in Aufruhr. Es hat in der burgenländischen Parteigeschichte seit 1945, sowohl in der ÖVP als auch in der SPÖ, keine Persönlichkeit gegeben, die bei Wahlkämpfen die Landesbürger so erregt hat wie Landeshauptmann Kery. Auf der einen Seite wurde er bejubelt und gefeiert und auf der anderen Seite als ehrgeiziger „Schauspieler“ auf der politischen Bühne apostrophiert. Er kämpfte wie ein Löwe um den Stuhl des Landesvaters und verstand es dabei, seine ganze pädagogische und psychologische Begabung in den Dienst seines politischen Unternehmens zu stellen.

Polster hat sich in den letzten Wochen des Wahlkampfes überraschenderweise zu einer guten Figur der Wahlwerbung der ÖVP entwickelt. Sieht man von seinem Kery-Komplex ab, der ihm zu schaffen machte, muß man sagen, daß Polster überall mit kultivierter Bescheidenheit, sachlich, entschieden und überzeugend sprach. Er bekam nicht nur großen Beifall, sondern fanid bei seinen Zuhörern großes Vertrauen. Dies war gerade in ausgesprochen katholischen Gemeinden der Fall.

Jeder Burgenländer weiß, daß der evangelische Polster seine Hausmacht im traditionell-katholischen Bauernbund hat. Sicherlich soll die spannungsgeladene Situation nicht übersehen werden, die dadurch gegeben ist, daß sich erstmals in der Parteigeschichte des Burgenlandes ein Katholik und ein Evangelischer gleichzeitig um den Stuhl des Landeshauptmannes bewerben, und noch dazu ein Katholik in der SPÖ und ein Evangelischer in der ÖVP. .

Kein Konfessionskampf

LH-Stellvertreter Polster bekleidet in seiner Kirche hohe Funktionen. Er hatte schon öfters die evangelische Kirche des Landes bei gesamtösterreichischen oder übernationalen Konferenzen vertreten. Polster hat sich seit seiner politischen Tätigkeit immer in der Öffentlichkeit zu den christlich-demokratischen Grundsätzen bekannt.

Der Journalist, der angesichts der Landtagswahlen die unglückselige Wendung „vom Konfessionskampf“ im Burgenland prägte, hat dem ökumenismus einen schlechten Dienst erwiesen. Von einem.Konfessionskampf kann überhaupt keine Rede sein. In kirchenamtlichen Kreisen wird darauf hingewiesen, daß sich in den letzten Jahren das Verhältnis zwischen der katholischen Kirche und den Reformationskirchen erfreulich verbessert hat. Wenn die christlichen Konfessionen, die Zugehörigkeit zu einem bestimmten christlichen Bekenntnis oder die religiöse Praxis von Spitzenkandidaten der Parteien in die Wahlauseinandersetzung hingezogen wurden, so haben die Politiker das Ihre dazu beigetragen; ebenso auch da und dort ein katholischer oder evangelischer Pfarrer.

SPÖ und Kirche

Am meisten jedoch waren führende Katholiken in der ÖVP über die

Reden Kerys aufgebracht Man warf ihm öffentlich vor, daß er Kirche, Religion und Glauben in den Dienst der Wahlwerbung für seine Partei stelle und dabei vor allem mit der Zugehörigkeit zur katholischen Kirche und seiner religiösen Einstellung unter den Katholiken Stimmen für die SPÖ gewinnen wolle.

Kery hat in der Tat mit dem Hinweis auf das verbesserte Verhältnis der burgenländischen SPÖ zur Kirche, das nach seinen Ausführungen auf seine Initiative zurückgeht, und mit der Feststellung, daß er ein Katholik und kein Marxist im Sinn der ÖVP-

Propaganda sei, Religion und Kirche in die Wahlauseinandersetzung hineingetragen und damit die Katholiken in der ÖVP herausgefordert.

Niemand kann es dem Landeshauptmann verwehren, daß er das gute Verhältnis des Landes zur Kirche in Reden erwähnt oder auf sein katholisches Bekenntnis hinweist. Aber er hat in dieser Richtung des Guten zuviel getan und sich dadurch bei seinen Gegnern dem Verdacht ausgesetzt, daß er mit der Kirche und dem Konfessionsbekenntnis ganz bewußt auf Stimmenfang ausgehe.

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