Kalman Mizsei, UNDP-Regional-Direktor und Assistent des UN-Generalsekretärs zum Entwicklungs-Bericht.
Die Furche: Herr Mizsei, der Bericht über die menschliche Entwicklung hat über 400 Seiten - wie würden Sie ihn als Mitautor zusammenfassen?
Kalman Mizsei: Die Millenniumsziele sind die Brille, durch die dieser Bericht auf die Welt schaut. Und dieser Blick zeigt: In vielen Ländern gehen wir bei der Armutsbekämpfung in die richtige Richtung, aber wir sind nicht schnell genug. Das heißt, wenn wir so weitermachen werden wir die Milleniumsziele verfehlen.
Die Furche: Was muss sich ändern?
Mizsei: In den letzten 15 Jahren hat es viel Wachstum und Entwicklung gegeben, gleichzeitig sind die Ungleichheiten gestiegen: Die Armen bekommen immer weniger, die Reichen immer mehr. Der Bericht nennt hier eine wirklich erschütternde Zahl: Die 500 reichsten Menschen der Welt haben mehr als die ärmsten 416 Millionen Menschen. Der Fokus bei der Armutsbekämpfung muss sich deswegen auf den Abbau von Ungleichheiten konzentrieren.
Die Furche: Die Idee der Ungleichheit wurzelt so wie die Idee von Fairness und sozialer Gerechtigkeit in bestimmten Wertvorstellungen...
Mizsei: ... die es auf globaler Ebene zu etablieren gilt. In den Nationalstaaten hat sich ist seit Mitte des 19. Jahrhunderts die Einsicht durchgesetzt, dass Armut nicht akzeptiert werden kann; daraus ist die europäische Sozialpolitik entstanden. Jetzt, mit der Globalisierung, sind wir gezwungen, ernsthaft über eine weltweite Sozialpolitik nachzudenken. Davon handelt dieser Bericht: ein systematisches Nachdenken über eine weltweite Sozialpolitik.
Die Furche: Helfen bei diesem Nachdenken auch Einzelinitiativen wie der G8-Gipfel zu Afrika?
Mizsei: Absolut, die Initiative von Tony Blair hat uns ein Momentum gegeben. Wir müssen diese Gelegenheit nützen und weiterbringen. Es gibt reale Chancen auf einen Durchbruch in Afrika.
Die Furche: Richtet sich das Interesse der Weltöffentlichkeit nicht viel mehr auf Irak und Terror und weniger auf Entwicklungszusammenarbeit?
Mizsei: Nein, Armutsbekämpfung darf nicht das Opfer der anderen Themen werden. Und die Perspektiven für ein globales Verständnis von Sozialpolitik sind nicht so schlecht. Wenn soziale Politik auf Weltebene etabliert werden könnte, würde uns das viele positive Effekte bringen auch und vor allem im Kampf gegen Terror.
Das Gespräch führte Wolfgang Machreich.
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