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Er war meine Rettung. Das habe ich ihm nie vergessen", sagt der heute 95jährige britische Verleger und Diplomat Lord George Weidenfeld in der neuen Ausgabe der angesehenen Zeit. Sein "Retter", das war Kurt Waldheim. Als die Nazis 1938 an die Macht kamen, durfte der jüdische Student Weidenfeld in Wien nicht mehr studieren. Waldheim brachte ihm die Vorlesungsskripten nachhause und lernte mit ihm. "So konnte ich doch noch meine Prüfungen machen", erinnert sich Weidenfeld voll Dankbarkeit.

Meine Gedanken wandern zurück: 1985, vor 30 Jahren, begann jener Präsidentschaftswahlkampf, der unser Land zutiefst spalten und international isolieren sollte. Nichts in meinem Berufsleben hat mich ähnlich stark berührt wie jene Jahre als Sprecher Waldheims -und meine Hilflosigkeit, dem beispiellos Attackierten halbwegs Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

George Weidenfeld war schon damals - gemeinsam mit anderen -ein Zeitzeuge gegen die Anti-Waldheim-Flut. Auch an Dokumenten fehlte es nicht. Darunter geheime NS-Papiere, die Waldheims "wiederholte Gehässigkeit gegenüber unserer Bewegung" festhielten. Nur: Nichts von all dem war ab 1985 imstande, den Angriffen der Waldheim-Kritiker zu widerstehen. Auch wenn die Vorwürfe ("Kriegsverbrecher","Nazi","Lügner" ) letztlich ohne Beweise blieben, zum Rufmord reichte es allemal. Bis heute.

Nein, Waldheim war kein Widerstandskämpfer. Vielmehr war er ein NSGegner, der -wie so viele -überleben wollte.

Rückblickend war seine "Schuld" eine zweifache:

Als Spitzendiplomat hat er unsere Staatsdoktrin ("Österreich als Hitlers erstes Opfer") auch dann noch mitgetragen, als ihre Brüchigkeit offenkundig wurde.

Und als Wahlkämpfer hat er die (zuvor bei uns unüblichen) Details seiner mehr als 40 Jahre zurückliegenden Kriegseinsätze erst unter dem Druck massiver Attacken vorgelegt.

Selbstgerechtigkeit der Gegner

"Schuld 1" teilt er mit seiner Generation -auch an der Staatsspitze.

"Schuld 2" war Waldheims störrischer Reflex auf die Wucht monströser Angriffe, auf sein Unschuldsbewusstsein - und auf seine Empörung, nun für ein erzwungenes Soldatentum erneut büßen zu müssen.

Politisch und menschlich hat Waldheim bis zu seinem Tod dafür gelitten; hat manch obskure Selbstgerechtigkeit seiner Gegner in Würde ertragen -und immer wieder um Versöhnung gebeten. Vergeblich. Geblieben sind starke Verwerfungen in unserem politischen System. Dazu viel Bürgerargwohn gegen Parteienmoral. Vor allem aber jeglicher Verzicht, einem österreichischen Weltbürger die Gnade der Fairness zu gewähren.

Wir leben in einer Zeit intensiver Aufarbeitung historischer Konflikte. Den Versuch, die "Causa Waldheim" neu und unvoreingenommen zu analysieren, hat die Republik bisher nicht gewagt. Stellt sich die Frage, ob 30 Jahre ausreichen, der Dämonisierung eines verdienten Mannes ehrlich an den Leib zu rücken.

Heinz Nußbaumer

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