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Jetzt klotzt die Spö

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Seit wenigen Tagen erscheint nun auch der Kopf des amtierenden Bundespräsidenten überlebensgroß im Wiener Stadtbild. Das Photo wurde von Jonas, der starken Einfluß auf die Führung seines Wahlkampfes nimmt, gegen die Meinung mancher Fachleute mit der Bemerkung ausgewählt: „Das bin ich, so schaue ich aus!”

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Seit wenigen Tagen erscheint nun auch der Kopf des amtierenden Bundespräsidenten überlebensgroß im Wiener Stadtbild. Das Photo wurde von Jonas, der starken Einfluß auf die Führung seines Wahlkampfes nimmt, gegen die Meinung mancher Fachleute mit der Bemerkung ausgewählt: „Das bin ich, so schaue ich aus!”

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In den Frühstadien des Wahlkampfes schien die Show Waldheim allein zu gehören, Jonas blieb unsichtbar. In den Bundesländern waren teilweise nicht einmal die Plakate mit den Jonas-Freunden Dietmar Schönherr, Leopold Grausam, Marianne Mendt und Univ.-Prof. Dr. Walter Swoboda zu sehen. Diese Zurückhaltung hatte keineswegs nur wahlstrategische Gründe (Heinz Brantl: „Jonas brauchte nicht, wie Waldheim, erst bekanntgemacht zu werden!”), sondern auch sehr zwingende finanzielle Ursachen. Die Sozialisten sollen sich von den finanziellen Belastungen der letzten Nationalratskampagne noch immer nicht ganz erholt haben. Während man auf dieser Seite die Gesamtaufwendungen für Waldheim einschließlich der Kosten für Wahl- kampfreise, Postwurfsendungen und so fort auf 15 bis 17 Millionen schätzt, dürfte die SPÖ nur einen Betrag unter der Zehnmillionenschillinggrenze aufgebracht haben.

Nun soll aber geklotzt werden. (Mili- tärjargom; konzentrieren der vorhandenen Mittel auf ein Ziel.) Die Sozialisten hoffen, durch ihre bisherige Sparsamkeit für die entscheidende Endrunde mindestens so viel Gewicht, sprich Millionen, in den Ring zu bringen, wie die ÖVP. Das heißt, daß in den kommenden Wochen möglicherweise mehr Jonas- köpfe als Waldheimkonterfeis auftauchen könnten. Auch Kandidat Jonas selbst entfaltet sich nun so gut, daß Meinungsforscher Karl Biecha davon überzeugt ist, daß er seinen Gegner in einer TV-Diskussion „glatt an die Wand spielen würde”. Freilich, so ebenfalls Biecha: „Worüber sollte ein amtierender Präsident diskutieren? Über politische Fragen, wo doch jeder Kandidat über den Par teien steht? Blieben nur Stilfragen.” Während Brantl den Wahlkampf als „ein offenes Rennen” empfindet, ist Biecha fest vom Sieg des sozialistischen Kandidaten überzeugt. Problematisches Detail am Rande: Jonas-Fürsprecher Fußballer Grausam bat, sein Photo in Tirol (wo er jetzt spielt) nicht anzuschlagen. Dies auf Grund der Erfahrungen des Kollegen Senekowitsch, der sich anläßlich der Landtagswahlen links exponierte und auf einem Innsbruk-

Noch ohne Politik: vornehme Sujets ker Fußballplatz als „roter Hund” beschimpft wurde. Das politische Engagement soll ihm auch eine empfindliche Einnahmenverminderung eingetragen haben.

Während sozialistische Intellektuelle einräumen, daß sich Waldheim leich ter als der vom Staub der Hofburg etwas angegriffene, freilich im Wahlkampf zu ungekannter Hochform auf gelaufene Jonas als Mitglied von Kreiskys fortschrittlichem Team verkaufen ließe, kam es in Waldheims Wahlkampfmanagement zu verschiedenen persönlichen Friktionen. Seine Kampagne (von einem „Wahlkampf” mag der Kandidat gar nicht sprechen) stand schon insofern unter keinem ganz glücklichen Stern, als Waldheim erst um den 10. Jänner herum voll und ganz zur Verfügung stand. Vorher forderte die Welt, die, einem der Plakattexte zufolge, ihm vertraut, genau gesagt die UNO, ihren Tribut. Während sich der amtierende Präsident noch einer geradezu Franzisco- josephinischen Exklusivität befleißigte und allzu frühe Wahlkampf - aktivität ihm nur hätte schaden können, verlor Waldheim kostbare Aufbauzeit.

Innerhalb der Bundesparteileitung soll ja bekanntlich partiell Grabenkriegsstimmung herrschen, ganze Länderorganisationen bleiben passiv, denn, so ein Waldheim (angeblich) Wohlgesinnter: „Noja, ein Erfolg Waldheims wäre halt natürlich auch ein Erfolg Schleinzers…” Beschwerlich auch das Dreiecksverhältnis zwischen Waldheims Büro mit Ministerialrat Ellinger, vormaligem Pressechef des Verteidigungsministeriums, Norbert Gregors zwecks Waldheim-Betreuung gegründeter Werbeberatung (Gregor: „Von der Agentur McCann völlig unabhängig!”) und dem „politischen Wahlkampfleiter” Pisa, dessen Berufung auf diesen Posten zu Reibungen zwischen Waldheim und Withalm geführt haben soll.

Etwas krampfhaft und unglaubwürdig wirkt das Bemühen beider Parteien, allzu heiße Fragen auszuklammern. Als ginge es in diesen Wahlen nicht auch um die Besetzung einer politischen Schaltstelle von erstrangiger Bedeutung. Offenbar will man es auf beiden Seiten vermeiden, schlafende Hunde zu wecken. Sie könnten sich sonst in bissige Wähler verwandeln.

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