Mit dem Mundl nach Afrika

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Max Blaeulichs "Kilimandscharo zweimeteracht".

Du primitiver Sautrottel, verlauster Zulukaffer"- es sind Litaneien dieser Art, mit denen Max Blaeulich zeigt, wie die Zivilisation oder doch das, was sich dafür hält, ihren Segen nach Afrika bringt. Mehrere intellektuell schwer herausgefordert wirkende Österreicher sind es konkret, die mit Waffen fuchtelnd und Genitalien vermessend noch das düstere Bild über-bzw. untertreffen, das Adorno von der Aufklärung und ihrer Dialektik zeichnet.

Ins Herz der Finsternis - Joseph Conrad wird in Anspielungen gewürdigt - geht es also Richtung Europa. Analphabeten sind doch besser als Halbanalphabeten, denen zur Wildnis vor allem einfällt: "Der Wilde aus Uganda schwört auf Dschullnigs Lederhosen." So wird mit teils recht brachialem Witz das freilich längst beschädigte Image des Missionierens auseinander genommen, wobei freilich die Drastik manchmal das Analytische, das möglich schiene, eher behindert.

Postcolonial Studies unter der Mitwirkung von Mundl Sackbauer - das hat kurzum was für sich, führt aber auch zu Problemen. Vor allem ermüdet die Aufhäufung der Klischees, seien es jene der Figuren, seien es jene des Erzählers. Die Frage, ob sich der Autor der kolonialistischen Sichtweise selbst immer entziehen kann, drängt sich zuweilen auf, denn nicht nur wie, sondern auch was der Erzähler da berichtet, ist grenzwertig. Die Ambivalenz der Aufklärung geht so, wiewohl sie in mancher Passage wunderbar aufleuchtet, auch verschütt.

Dabei liegen dem Band offenkundig Recherchen zugrunde, die amüsant und aufschlussreich Tatsachen und Fiktion sich aneinander abarbeiten lassen. Und auch der Titel ist leiser, als es das Buch dann oft ist - "Kilimandscharo zweimeteracht" ist ein hochgewachsener Schwarzer.

Man muss sich also an die Textstellen halten, in denen das Buch sich untreu wird, einem Einfall, einem Umstand oder einer Metapher nachgeht. Den Abgründen, die hier besonders drastisch ausgemalt werden, ist es dagegen zumeist eigen, von ihrer Theorie schon eingeholt zu sein - Gegenmodell hierzu wäre schöne und geradezu fein ziselierte Stilistik einer Evelyn Grill, die dem Drastischen, selbst wo sie es schildert, nicht dermaßen nachgibt, es damit aber glaubwürdiger und bestürzender trifft.

Auch dem Witz hätte es nicht geschadet, hier und da verhaltener, vielleicht: britischer zu sein. Wiewohl hier zu konzedieren ist, dass schon durch die Sprachmelodie gerade auch das Ausufernde bei Blaeulich einen gewissen Drive hat. Schön ist es, wie der Diskurs vom Erhabenen, an dem zugrunde zu gehen fast schon Lust sein müsste, hier variiert wird, da wird vom Ertrinken, Erfrieren und dergleichen mehr erzählt und dann geendigt: "welch herrlich aufregende Wildnis" . Die Lust an der grotesken Pointe, die da mit dem Autor durchgeht, ist aber eben nur streckenweise ansteckend, nicht zu vergleichen jedenfalls mit den guten Texten eines Franzobel, der sein Spiel radikaler und dann auch überzeugender treibt, erst recht nicht zu vergleichen mit den Geniestreichen eines H. C. Artmann.

Man hat es also mit einem zwar nicht schlechten, doch Zerfallserscheinungen zeigenden Buch zu tun - das manchmal geradezu Gefallen daran findet, zwischen allen Stühlen situiert zu sein, aber es dabei an Stimmigkeit vermissen lässt.

Kilimandscharo zweimeteracht

Roman von Max Blaeulich

Residenz Verlag, St. Pölten 2005

255 Seiten, geb., e 19,90

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