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Buße tun

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Die Vorstellung von der vorösterlichen Bußzeit ist zwar sehr alt, aber irreführend. Hinter ihr steht unausgesprochen die Meinung, man sündige eben das ganze Jahr, in den Wochen vor Ostern aber habe man hiefür Buße zu leisten. Die Fast- nachts- und Karnevalsbräuche zeugen noch von diesem Mißverständnis.

Auch der Sprachgebrauch, der etwa vom „Bußgeld“ redet, kennt dieses Ersatz- und Entschädigungsdenken. Ihm liegt ein statisches und fatalistisches Verständnis von Sünde und Schuld zugrunde. Letztlich wird in die Regelmäßigkeit von Schuld und Buße wie in ein unausweichliches Ritual eingewilligt.

Der christliche Gedanke der Umkehr — ein besserer Ausdruck als das belastete Wort „Buße“ — lehnt sich jedoch gegen diese vermeintliche Unausweichlichkeit auf und versucht den Kreislauf des Schuldigwerdens zu durchbrechen.

So gesehen ist die Fastenzeit ein Protest gegen die Vorstellung, die Sünde wäre unser Schicksal. Sie gibt sich nicht damit zufrieden, unsrer Sündhaftigkeit durch Bußwerke sozusagen Tribut zu zollen, sondern sie will die Verwandlung. Ein bloß ri- tualistisches Absolvieren der Buße willigt in die „Automatik“ der Sünde ein und verweigert sich der Verwandlung.

Viele Menschen spüren das. Und das mag einer der Gründe sein, weshalb auch überzeugte und tatkräftige Christen mit der herkömmlichen Praxis der Beichte ihre Schwierigkeiten haben. Sie erkennen und erfahren zuwenig die verwandelnde Kraft der Umkehr. Ihre Abwehr gegen eine gerade vor Ostern mögliche Beichtroutine ist berechtigt.

Gott will von uns keine routinierte Buße, sondern eine tiefgehende Umkehr. Und diese Umkehr gelingt nicht, wenn das Sakrament zum magischen Sühneritual verkommen ist. Freilich ist niemand daran gehindert, dasselbe Sakrament als geheiligtes Zeichen der Umkehr ernst zu nehmen.

In einem gewissen Sinn ist das Fasten ein Sakrament der Umkehr, der inneren Verwandlung. Denn wenn wir im Sichten der Lebensumstände, im Unterscheiden des Wesentlichen vom Überflüssigen, im Abwerfen des „irdischen Ballasts“, der uns von Gott trennt und uns letztlich auch uns selbst entfremdet — wenn wir also solcherart zu einer Revision des Lebens gekommen sind, dann wird das Fasten, worin es auch bestehen mag, zum (sogar durch die Bibel und das Beispiel Jesu) geheiligten und wirksamen Zeichen der Versöhnung: mit Gott, mit den Mitmenschen und mit uns selbst.

19. Teil einer Serie über Zeichen und Symbole ün Jahreskreis der Kirche.

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