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Erfolgreiche Hilfe für Drogensüchtige

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Alle Zeitungen sind voll davon. Der-_ Innenminister ist mit den Oppositionsparteien der Meinung, das alles sei in erster Linie ein Polizeiproblem. Und wenn es passiert ist, dann weiß man allenfalls, daß Kalksburg überbelegt und auf Monate ausgebucht ist. Was sonst noch?

Anfang November feierte in einer aufgelassenen Haushaltungsschule bei Steinach am Brenner das KIT (Kontakt, Information, Therapie) sein fünfjähriges Bestehen, öster-reichs „Drogenpapst" Univ.-Prof. Dr. Kornelius Kryspin-Exner sagte auf der Festversammlung, allein das fünfjährige Bestehen dieser Institution sei überaus bemerkenswert; ähnliche Einrichtungen, mit wesentlich mehr Geld gestartet, seien fast alle eingegangen.

Begonnen hat das alles in einem schäbigen Häuschen am Stadtrand von Innsbruck. Aus dem Jugendzentrum Z 6 wurden hierher drogensüchtige Jugendliche verfrachtet, damit sie nicht die restlichen Burschen ansteckten. Die Therapeuten brachten außer ihrem guten' Willen nicht viel mit, davon allerdings im Ubermaß. Die systematische Arbeit ging so richtig im Sommer 1974 an, als Manfred Reicher, der viele Jahre im größten Drogenentwöhnungshaus Europas in Amsterdam gearbeitet hatte, auf seinem Pferd aus Graz in Innsbruck einritt.

Im November wurde der Verein KIT gegründet, von der Caritas, einigen Hofräten der Landesregierung und von Innsbrucker Bürgern. All jene, die damals dabei waren, haben dem KIT bis heute die Treue gehalten. Die eigentliche Schwerarbeit wird ohne Zweifel in den Wohngemeinschaften geleistet, aber die finanziellen Voraussetzungen dafür schafft der Vorstand. Von Anfang an wurde systematische Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Für das KIT zu sein gehört in und um Innsbruck zum guten Ton. Im Sommer 1979 übersiedelte die therapeutische Wohngemeinschaft auf den Taxerhof bei Innsbruck.

Kaum war das KIT dort richtig eingelebt und die kahlen Klostermauern wohnlich gemacht, vernichtete ein Brand, dessen Ursachen noch immer nicht geklärt sind, das Haus. Erneut wurde auf Herbergsuche gegangen. Was so ein Brand für eine Truppe labiler junger Menschen bedeutet, läßt sich nur vermuten. Seit zwei Jahren ist das KIT nun in Steinach. Inzwischen wurde in Innsbruck eine Wohnung als Ubergangsgemeinschaft eingerichtet. Diesen Herbst soll das Projekt einer Fortbildungseinrichtung verwirklicht werden - die Klienten werden immer jünger, was bedeutet, daß sie sehr oft nach der Heilung ohne jeden Schulabschluß, ohne Ausbildung dastehen.

Worin besteht die Therapie im KIT? Nach dem vier bis sechs Monate dauernden Aufenthalt im Haus sollen die Klienten

• ohne Drogen leben können;

• ein verwirklichbares Lebensziel erarbeitet haben;

• sich in der bestehenden Gesellschaft behaupten können;

• ein sozial und materiell gesichertes Leben fuhren können.

Der Weg bis dahin ist mühsam. Nach dem körperlichen Entzug, der in der Regel in der Psychiatrie erfolgt, denkt der oder die Neuaufgenommene zunächst einmal über sein bisheriges Lebens nach. In der Ubergangsphase steht der Abbau der Abhängigkeit im Vordergrund. Gruppensitzungen, Mitarbeit beim Hausumbau, beim Essenvorbereiten, Kreativitätsübungen (es wird sehr viel musiziert, gezeichnet und getöp-fert). Der schwierigste Teil ist die Rückkehr in die einst verachtete bürgerliche Welt.

Professor Kryspin-Exner, dem KIT seit seiner Tätigkeit als Klinikvorstand und Universitätslehrer in Innsbruck gewogen, schreibt in der Festschrift, die sich das KIT zu sei-

nem fünfjährigen Bestehen geschenkt hat, daß dieses „die neuesten Erkenntnisse der Therapie der Drogenabhängigkeit zum Teil vorweggenommen hat. Die strenge Selektion der Patienten nach ihrer Motivation, die straffe Führung des Hauses, aber auch die Anpassung an die Mentalität Jugendlicher, die Flexibilität der Maßnahmen und die unorthodoxe Führung sind moderne Therapieprinzipien und haben sich bestens bewährt. Schon die fünfjährige Existenz dieser Einrichtung beweist, daß sie einen richtigen therapeutischen Weg gegangen ist". In der Festschrift, die mit Klientenzeichnungen geschmückt ist, scheint auch eine Erfolgsstatistik auf. Sie ist inzwischen schon überholt.

60 junge Menschen von rund 160, die aufgenommen wurden, konnten geheilt ihren Eltern, dem Leben zurückgegeben werden. Die derzeitigen 24 Klienten werden von sieben Mitarbeitern betreut. Nur deren intensi-

ver Einsatz macht es möglich, daß auf einen von ihnen drei Klienten kommen - gegenüber 1:1 in vergleichbaren Institutionen. Was er seinen Mitarbeitern verdankt, weiß offenbar auch der Vorstand - er widmete ihnen die Festschrift, die um S 48,-beim KIT in Steinach bezogen werden kann. Der Schrift liegt ein Merkblatt hei, in dem besorgte Eltern nachlesen können, was sie im Ernstfall tun sollten.

Verhindern kann es das KIT nicht, daß weiterhin junge Menschen den Drogen verfallen, aber ein Zeichen dafür setzen, daß auch nach gräßlichen Drogenkarrieren nicht alles verloren sein muß. Daß es auf privater Basis entstand, sollte alle die freuen, die gegen den totalen Staat sind. Daß es eine von Tirols Christen begründete und gestützte Sache ist, sollte Kleingläubige in anderen Ländern ermuntern, hinzugehen und desgleichen zu versuchen.

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