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Gestalten der Vergangenheit

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Die Welt ist klein ... zumal in der Perspektive der rührigen Auslandsschweizer. Saßen da vor 800 Jahren auf Lützelflüh im Emmental die Ahnen jener Herren v. Brandis, deren Wappen vor 300 Jahren durch Erbschaft an unsere Familie gekommen ist; und nun soll ich ein Buch rezensieren über einen Mann, der in Lützelfluh zur Taufe gebracht worden war von seiner Mutter Frau Verena — und diesen bodenständigen Vornamen trug eben auch meine Ahnfrau v. Brandis. Also, der Emmentaler Robert Stuker (1863 bis 1940) wurde Lehrer des Prinzen Christoph von Griechenland, dann diensttuender Kämmerer am griechischen Hof, dann Vertrauensmann dieses Hofs und der verwandten Höfe von London, Kopenhagen und Rußland. Die Zeiten gaben ihm auch Gelegenheit, seine mannigfachen Auszeichnungen nicht nur durch wichtige Dienste, sondern durch Treue in Gefahren zu verdienen.

Dieser ehrenhafte, interessante Lebenslauf wird vom Neffen des Kammerherrn mit vieler Originaldokumentation erzählt. Der Verfasser ist nun freilich als Schweizer in der Heimat rastlos im Geschäftsleben tätig — und so sind ihm alle Details höfischer Ordnungen nicht so gegenwärtig, wie es zu fehlerloser Formulierung wohl nötig wäre. Es kommt daher zu falschen Ausdrük-ken; es ist zum Beispiel für die Stellung des Fürstenhauses Fürstenberg schmeichelhaft oder vielmehr bezeichnend, wenn Max Egon zu Fürstenberg als Bundesfürst Wilhelms II. tituliert wird — aber richtig ist es nicht, da er dem Bundesfürsten von Baden standesherrlich unterordnet warT..

Lebhafter Dank aller interessierter Leser ist dem Autor sicher für die prächtige Ausstattung mit Photographien. An ihnen wird vor allem ein monarchistisch gesinnter Leser seine Freude . haben, nicht so sehr, weil hier mancher seither ermordete Fürst in Glanz besserer Zeiten zu sehen ist, als vielmehr darum, weil die Dargestellten so gar nicht nach Degeneration aussehen. Welch einen Kranz von Schönheiten bilden doch in diesen Bildern die aufeinanderfolgenden Generationen der königlichen Damen von Griechenland, Rußland, Frankreich, Savoyen...! Schon diese Schönheitsgalerie muß den Leser zur Anschaffung des Buches ermuntern. Zugleich ist dies nicht das Buch eines Schmeichlers; die menschlichen Schwächen der Fürsten werden hier durchaus klargestellt.

DIE GROSSE PARADE. Glanz und Untergang der Fürsten Europas. Nach den geheimen Akten und Berichten des Königlichen Kammerherrn Robert Stuker. Von Jürg Stuker. Walter-Verlag Ölten, 1971. 545 Seiten, 117 Abbildungen.

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