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Historiker — Aufbruch

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Dem Thema „Geschichte Österreichs — Probleme ihrer Darstellung“ war Anfang Dezember ein Symposion gewidmet, das von der österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien veranstaltet wurde. Neue Ansätze und Aspekte einer Darstellung der österreichischen Geschichte standen zur Diskussion, Defizite im gegenwärtigen Forschungsstand wurden aufgezeigt. Wichtige Anstöße könnten damit auch einem ehrgeizigen Projekt geliefert worden sein, das vor der Realisierung steht. Das Institut für österreichische Geschichtsforschung unter Leitung von Herwig Wolfram plant, eine mehrbändige „Geschichte Österreichs“, ein Werk, das bisher fehlt, herauszugeben.

Wie könnte nun eine Geschichtsdarstellung Österreichs nach dem neuesten Stand der Forschung aussehen? Ohne eine dynastische Geschichtskonzeption, ein Schwerpunktthema des Symposions, in den Vordergrund zu stellen, wurde in den Referaten deren in vielen Phasen der Geschichte wesentlicher Stellenwert hervorgehoben.

Von den gesellschaftlichen Aspekten der Geschichtsschreibung ging der Salzburger Historiker Ernst Hanisch in seinem Konzept einer „Geschichte Österreichs im 20. Jahrhundert“ aus. Sie müßte als Gesellschaftsgeschichte konzipiert sein, die sich an einer zentralen Leitperspektive orientieren sollte. Hanisch definierte die Perspektive der „Lebenschancen“ als einen solchen Grundpfeiler einer Gesellschaftsgeschichte, die die Komponenten

Wirtschaft, Herrschaft, Kultur miteinander verweben könnte. Das tragende Skelett der Gesellschaft müsse freigelegt werden, Wirtschaftswachstum, Konjunkturschwankungen, Klassenbildung und politische Systeme seien als zentrale Probleme zu definieren, der Mensch in seiner Subjektivität sei einzubeziehen.

Neben einer Reihe von Vorbehalten und Kritikpunkten an dieser Konzeption verwiesen Fachkollegen auf vorhandene Forschungslücken und fehlende Vorarbeiten etwa in der Sozial- und in der Wirtschaftsgeschichte. So sei bislang in der Wirtschaftsgeschichte die Frage nach den die sozioökonomische Situation beeinflussenden Faktoren zu wenig beachtet worden (Franz Mathis, Innsbruck).

Historische Pluralität

Die Formen und Wandlungen des Österreichbegriffs und deren Bedeutung für das Staats- und Nationalbewußtsein waren ein weiteres Tagungsthema. Sehr deutlich wurde hier die starke Prägung durch die „historische Pluralität“ unterstrichen (Moritz Csäky, Graz). Minderheiten dürften nicht verleugnet oder verdrängt werden, dies wäre ein Verlust der eigenen Identität. Die Forschung sollte den Bruchlinien im österreichischen Selbst- und Nationalbewußtsein nachspüren und Erklärungen dafür zu finden suchen (Ernst Bruckmüller, Wien).

Nicht zuletzt wurde auch die Problematik der Integration der Geschichte der österreichischen Länder in eine Gesamtgeschichte Österreichs angesprochen.

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