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Nur scheinbar tollkühn
Daß Konjunktur keine ständige Aufwärtsbewegung ist, überrascht den Durchschnittsösterreicher nicht besonders, so wenig ihm die Talfahrt behagt. Für die Wahlkämpfer ist es freilich sehr ungewohnt, wenn sie anstelle einer Verteilung von vorweggenommenen Gewinnen über Verluste reden und damit den Wähler in ihre Gasse locken sollen. Aber so selbstmörderisch ist das auch nicht.
Der scheinbaren Tollkühnheit, mit der Kanzler Kreisky ein Paket von Steuern, die vom Standpunkt sozialer Gerechtigkeit zumindest anzweifelbar sind, zu einem Thema des Wahlkampfes gemacht hat, könnte überdies ein ganz nüchternes Kalkül zugrundeliegen: Partner Benya hat sofort den Ball aufgenommen. Und zurückgeschossen. Damit ist gesichert, daß diese Auseinandersetzung im eigenen Lager stattfindet und sich der kleine Mann, der vielleicht seine Interessen bedroht fühlt, nicht an die große Opposi- tiqnspartei wenden muß. Ist einmal dieser Bereich so wahltaktisch
neutralisiert, wäre, wenn die Rechnung aufgeht, das Atout Kreisky freigespielt und es käme zu der Persönlichkeitswahl, auf die Kreisky seine SPÖ vergattert hat.
Ich könnte mir vorstellen, daß auch die OVP in dieser Richtung gedacht und ihre zwei solennen Auftritte - Mocks „Erklärung zur Lage der Nation“ im Belvedere, Mock an der Seite Kohls in der Hofburg — nicht im Hinblick auf irgendwelche Inhalte veranstaltet hat, sondern vor allem ihren Spitzenkandidaten durch einen entsprechenden Rahmen profilieren wollte. Deshalb, könnte ich mir vorstellen, auch die saure Reaktion Kreiskys und die Ankündigung eines „Kampfes, wie wir ihn noch nie gehabt haben“. Der große alte Mann muß zeigen, daß er nicht nur Hirn, sondern auch Muskel hat.
Auf die FPÖ können wir, glaube ich, fürs erste vergessen: ihr Treiben ist weder karnevalesk noch elektionär, nur grauslich.
Der Autor ist Schriftsteller.
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