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Vorwärts zur Redlichkeit

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Architektur-Wettbewerbe gab es bereits in der Renaissance, wir danken ihnen zum Beispiel die Kuppel des Domes zu Florenz von Brunelleschi oder die Lösung städtebaulicher Probleme im 19. Jahrhundert von Otto Wägnier, Hegele (Zentralfriedhof), Peter Behrens und Clemens Holzmeister, der allein durch Wettbewerbe — etwa beim Krematorium in Wien und beim Regierungsgebäude in Ankara — seinen Aufstieg erfuhr.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Wien beispielsweise Wettbewerbe für den Wiederauf -

bau der Staatsoper, für die Gestaltung von Stephansplatz und Karlsplatz und für die Stadthalle. In der jüngsten Vergangenheit haben die Gemeinde Wien ihren „Jahrhundertchance“-Wettbe- werb für den Donauraum oder die Donaukraftwerke ihren für ihr Kraftwerk ausgeschrieben.

Abgesehen davon, daß die großen Chancen für Wien in den eingereichten Projekten für den Donauraum gar nicht wahrgenommen wurden (gemachte Vorgaben waren plötzlich nicht gefragt, anderes nicht „Aufgabe des Wettbewerbes“ oder „nicht gewünscht“), ist allgemein zu beobachten, daß sich Mängel in der Wettbewerbsdurchführung einschleichen, die zu Unmut führen müssen.

Als selbstverständliche Forderungen sollten eingehalten werden:

1. Für jeden Wettbewerb ist eine sorgfältige Vorbereitung unerläßlich: die Ausschreibung muß genau, klar und eindeutig sein, ohne nachträgliche Einschränkungen und Auflagen (siehe Kraftwerksbau Wien). Nur eine konkrete Fragestellung erbringt eine genaue Antwort.

2. Der Wettbewerb muß einen tatsächlichen Architekten-Ein- satz erfordern, eine künstlerische Aufgabenstellung darstellen, er darf nicht nur kleinliche Kosmetik innerhalb unzulänglicher Vorgaben erlauben.

3. Er muß rechtzeitig ausgeschrieben werden, nicht erst dann, wenn die Bagger schon längst arbeiten, sodaß keine anderen Lösungen mehr möglich sind (Hochwasserschutz).

4. Die beigestellten Unterlagen müssen leicht erfaßbar und nicht zu weitläufig sein, um die Entwicklung eines Leitgedankens zu ermöglichen.

5. Für jede Einreichung sollten zumindest die Barauslagen ersetzt werden, da jedes Projekt Gedanken enthält, die später einmal verwertet werden. (Im Falle des Donaukanals ist es zum Beispiel unverständlich, warum vorliegende gute Ideen in der Zwischenzeit nicht verwirklicht wurden.)

6. Entscheidungen nach Punkten erscheinen uns nicht zielführend; künstlerische Arbeit kann nicht mathematisch gemessen werden.

7. „Reine Kunst im Einklang mit der Natur“ — im Sinne Vitruvs — und im Sinne auch der neuen Psychologie sollte erkannt und

Technokratismus, Modisch-Exaltiertes, Manieriertes abgelehnt werden.

8. Eine sorgfältige Auswahl der Juroren ist die wichtigste Voraussetzung für das Gelingen eines Wettbewerbes, soll er nicht nur als Alibi dienen.

Der Juror muß eine selbständige künstlerische Persönlichkeit sein und eigene anerkannte Leistungen aufweisen können.

Bei mehreren Juroren soll außer einem Vertreter des Bauherrn die Hälfte der Jury aus Architekten bestehen, aber auch Bildhauer, Maler und einschlägige Wissenschaftler sind einzuladen. Insgesamt zehn Juroren ist eine Höchstgrenze, damit sie ihre Meinung wirklich äußern, gegenüberstellen und abwägen können. Die Juroren müssen unabhängig sein und mit keinem Wettbewerbsteilnehmer in Verbindung stehen. Die Juroren müssen hohes ethisches und moralisches Empfinden besitzen, um ihre Entscheidungen zu verantworten.

Den Juroren muß genügend Zeit für ihre Meinungsbildung zur Verfügung stehen.

Jedem Teilnehmer steht von jedem der Juroren eine genaue Beurteilung seines Projektes mit entsprechender Begründung zu, in der zum Ausdruck kommt, wie dieser sich selbst mit dem Thema auseinandersetzt.

9. Geladene, engere oder mehrstufige Wettbewerbe treffen bereits eine Auslese, erreichen daher nicht alle vorhandenen Begabungen. Sie sind nicht zielführend und zudem unsozial.

10. Gesamtprotokoll und Information sind vor Mitteilung an die Öffentlichkeit den Teilnehmern zu übergeben, ebenso die Stellungnahme vom Bauherrn.

11. Bei Einverständnis sorgt eine öffentliche Ausstellung sämtlicher Arbeiten für gute Transparenz.

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