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Wiederkehr des ewig gleichen?

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Von der Identitätskrise eines neuwertigen Joghurtbechers: aus ihm wird nie wieder ein gleichwertiges Recyclingprodukt.

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Von der Identitätskrise eines neuwertigen Joghurtbechers: aus ihm wird nie wieder ein gleichwertiges Recyclingprodukt.

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Die Ökologen sprechen immer öfter statt von Re- von „Downcy-cling". Ein Problem, das auch die am 1. Oktober in Kraft getretene Verpackungsverordnung in einem ungünstigen Licht erscheinen läßt.

Vor allem Kunststoffe sind von dieser Qualitätsminderung, die sich bei jedem Recycling-Kreislauf einstellt, betroffen. Der Hauptgrund dafür ist die unübersichtliche Vielfalt der im Handel erhältlichen Kunst:., stoffmateriaherv deren sortenreine* Trennung 'mitunter auch Experten1 Schwierigkeiten bereitet - erst recht dem Laien. Da Kunststoffe ihre speziellen Materialeigenschaften durch eine eng konzentrierte Beigabe von Zusätzen erhalten (es existieren mehr als 1.000 verschiedene Rezepturen!) kann ohne die genaue Kenntnis der einzelnen Komponenten nicht die gewünschte Qualität entstehen. Dazu müßten die gesammelten Kunststoffabfälle aufwendig - weil händisch - getrennt werden. Rechnet man zu diesem Bearbeitungsvorgang die hohen Transportkosten hinzu - diese entstehen dadurch, daß man pro Kilo Kunststoff bis zu 40 Liter Luft mittransportieren muß — dann erhält man für den „downcy-clierten" Kunststoff einen Anschaffungspreis, der bei weitem über dem Neupreis liegt. So verlangt die ÄRA (Altstoff Recycling Austria) etwa zur Zeit bis zu 18,36 Schilling pro Kilo Kunststoff, während ein neu erzeugtes Kilo im Schnitt zirka um die sechs Schilling kostet.

Aus einem downcyclierten Kunststoff entstehen daher im Normalfall Produkte wie Blumentöpfe oder Gartenbänke. Das Fallbeispiel des Joghurtbechers zeigt dabei ein weiteres Problem auf. Die Qualität des wie-

derverwerteten Bechers würde zwar den Anforderungen entsprechen, doch da die Bearbeitungstemperatur nicht hoch genug ist, besteht die Gefahr von organischen Überresten, weshalb Essensbehältnisse aus recy-clierten Kunststoff verboten sind. Einen scheinbaren Ausweg bietet die Möglichkeit, mittels einer Zweikom-

Jionenten-Spritztechnik den Kern des oghurtbechers aus recyclierten Material herzustellen und seine Hülle aus neuwertigem. Doch der Becher wird dadurch dicker und auch sein Herstellungsverfahren ist kostspieliger als das normale.

Eine attraktivere Anwendungsmöglichkeit für die Wiederverwertung von Kunststoffen wird derzeit an der Montanuniversität in Leoben erprobt. Unter der Leitung von Franz Eigl versucht man mit Hilfe einer

ähnlich funktionierenden Spritztechnik bis zu einem Viertel der Altkunststoffe in neuen Autostoßstan-gen zu verwenden. Doch im Gegensatz zu diesem „innerbetrieblichen" Recycling, bei dem die Beschaffenheit der Abfallprodukte meist bekannt ist, gilt für das Gros der im Hausmüll anfallenden Kunststoffe, daß sich ihre Wiederverwertung nicht rechnet. Vergleicht man die Möglichkeit des Recyclings mit dem gezielten Einsatz von Mehrwegverpackung, so zeigt sich, daß das Recycling sowohl eine bedeutend niedrigere Energieeffizienz aufweist, als auch einen höheren Abfallanteil,, der aus derri Recyclingprozeß ausgeschleust werden muß. Zudem ist es wahrscheinlich, daß der Markt für minderwertige Kunststoffe in absehbarer Zeit gesättigt sein könnte wie Rupert Felhnger vom Österreichischen Ökologie-Institut ausführt.

Ähnliche Probleme entstehen bei der Wiederverwertung von Papier, da dessen Qualität von der Länge seiner Fasern abhängig ist. Auch hier kann kaum von Recycling die Rede sein, doch im Gegensatz zum Kunststoff ist das recyclierte Papier kon-stengünstiger und es existiert auch ein bedeutend größerer Markt dafür. Ähnliche Probleme vermutet man bei Aluminium und anderen Metallen, doch dafür existieren bisher noch keine exakten Untersuchungen.

Damit soll das Sammeln und Trennen von Abfall nicht grundsätzlich kritisiert werden, doch für Metalle und vor allem Kunststoffe gilt, daß der durch die angestrebten Recyclingwege vorgegebene ökologische und ökonomische Nutzen keineswegs unumstritten ist. Wenn man bedenkt, daß der Hausmüll kaum fünf Prozent des jährlichen Mülls ausmacht, ergibt sich, daß Abfallvermeidung in jedem Fall der Abfallverwertung vorzuziehen ist.

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