"Ich bin ein Oranger ..."

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Seit 26. Jänner ist er Staatssekretär im Sozialministerium - doch vielen ist Sigisbert Dolinschek namentlich noch immer unbekannt. Im Interview spricht er über den Sinn von sieben Staatssekretären, das neue Behindertengleichstellungsgesetz und die Barrieren zwischen bzö und fpö.

Die Furche: Einige Medien haben - mehr oder weniger ernsthaft - die Frage aufgeworfen, ob Österreich sieben Staatssekretäre braucht. Haben Sie sich im ersten halben Jahr Ihrer Amtszeit je überflüssig gefühlt?

Sigisbert Dolinschek: Bisher eigentlich nicht. Es gibt eine Fülle an Terminen und Aufgaben. Ich habe im Ministerium ein eigenes Portefeuille, ich bin für Konsumentenschutz, Behindertenwesen und Pflegewesen zuständig, muss aber auch alle anderen Dinge mitabdecken, denn man ist nicht davor gefeit, für die Frau Bundesminister einzuspringen, wenn zwei Dinge gleichzeitig passieren.

Die Furche: Ihr Portefeuille ist so üppig, dass nach Ansicht des Grünen Sozialsprechers Karl Öllinger für Sozialministerin Ursula Haubner nur der Familienbereich übrig bleibt ...

Dolinschek: Da hat er vergessen, dass die Frau Bundesminister für das gesamte Pensionswesen zuständig ist. Außerdem ist sie ja nicht von den Zuständigkeiten ausgenommen, für die ich verantwortlich bin. Wir sprechen das ja ab. Vergangene Woche etwa gab es die Beschlüsse zum Behindertengleichstellungsgesetz und zur Kriegsgefangenenentschädigung. Zugleich gab es den eu-Rat für Beschäftigung in Belfast, wo es auch um die Beschäftigung behinderter Menschen gegangen ist. Und so bin ich nach Belfast geflogen ...

Die Furche: Am Behindertengleichstellungsgesetz haben die Betroffenen bis zuletzt heftige Kritik geübt - vor allem daran, dass für die Beseitigung baulicher Barrieren bei bestehenden Gebäuden Übergangsfristen von bis zu zehn Jahren möglich sind ...

Dolinschek: Das Gesetz war eben ein Kompromiss. Der öffentlichen Hand muss man genauso wie der Privatwirtschaft gewisse Übergangsfristen einräumen, damit die Umstellungsphase reibungslos läuft. Wir haben ja sämtliche öffentlichen Verkehrsmittel zu adaptieren (bis Ende 2007, Schienenfahrzeuge bis Ende 2008, Anm. d. Red.). Und auch die Privatbetriebe, die ihre Zugänge barrierefrei gestalten müssen, brauchen eine Übergangszeit.

Die Furche: Wobei sich diese Fristen schon bei relativ niedrigen Baukosten verlängern: Investitionen bis 1000 Euro sind bis Anfang 2007 zu tätigen, Aufwendungen bis 3000 Euro bis Anfang 2008, und bei Kosten bis zu 5000 Euro hat man bis 2013 Zeit. Diese Summen tun großen Handelsunternehmen kaum weh ...

Dolinschek: Auch meiner Meinung nach sind das nur Peanuts. Aber das war eben ein Kompromiss mit der Wirtschaft. Wobei hier die Amerikaner, die uns im Behindertenbereich ein Vorbild sein können, in ihrem Gesetz von 1992 Übergangsbestimmungen bis 2020 haben. Außerdem haben in Ländern wie Schweiz, Frankreich und Deutschland die Angehörigen von behinderten Menschen keinen Diskriminierungsschutz, wie es nun in unserem Gesetz vorgesehen ist.

Die Furche: Nicht vorgesehen ist dafür die Möglichkeit für Betroffene, auf Unterlassung oder Beseitigung einer Barriere zu klagen ...

Dolinschek: Dagegen hat es verfassungs- und zivilrechtliche Vorbehalte gegeben. Wenn jemand sich mit seinem Geschäft in einem Haus eingemietet hat und geklagt wird, dass er eine Rampe oder blindengerechte Schalter einbauen muss, aber der Hauseigentümer lässt das nicht zu, dann hat er keine Chance. Es gibt jetzt aber eine Mediationsmöglichkeit. Jeder kann sich an die Landesstellen der Bundessozialämter wenden. In dieses Schlichtungsverfahren ist auch der künftige Behindertenanwalt integriert, der auch Sitz und Stimme im Bundesbehindertenbeirat im Sozialministerium hat. Dieser Beirat kann auch über die Zulassung von Verbandsklagen entscheiden. Wenn es hier eine Zweidrittelmehrheit gibt, dann kann der öar (Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, der Dachverband von 73 Behindertenvereinen, Anm. d. Red.) etwas einklagen.

Die Furche: Gerade an dieser Zweidrittelmehrheit stoßen sich viele: Sie empfinden das als Form von "Besachwalterung", die es etwa bei Verbandsklagen vom Verein für Konsumenteninformation oder dem Senioranrat nicht geben würde ...

Dolinschek: Die Wirtschaft wollte im Bundesbehindertenbeirat überhaupt das Einstimmigkeitsprinzip durchsetzen. Aber dagegen habe ich mich ausgesprochen, denn im Beirat sitzen ja auch Vertreter des Wirtschaftsministeriums und der Sozialpartner. Das wäre ein zahnloser Tiger gewesen. Am Ende hat man sich auf eine qualifizierte Mehrheit geeinigt.

Die Furche: Eine andere Einigung steht noch aus, nämlich eine 15a-Vereinbarung zwischen dem Sozialministerium und den Ländern. Schließlich gilt das Behindertengleichstellungsgesetz nur für Bundesbauten, und in den Ländern gibt es neun verschiedene Bauordnungen ...

Dolinschek: Ich glaube, dass die Länder selbst wissen, dass etwas notwendig ist - wobei es gar nicht so große Unterschiede gibt. Wir wollen jedenfalls Anreize für alle schaffen, die sich bald und nicht erst in zehn Jahren für Umbauten entscheiden.

Die Furche: Wobei man diese Umbauten auch nicht "nach dem Stand der Technik" machen muss ...

Dolinschek: Aber wir werden darauf achten, dass es zumindest Richtlinien gibt. Das größere Manko ist meiner Ansicht nach, dass es momentan keine Ausbildung von Architekten für behindertengerechte Gestaltung gibt. Dem muss man schnell begegnen, indem man bei Ausschreibungen dafür sorgt, dass Gebäude überall behindertenrecht sind - und nicht nur im 8. Stock.

Die Furche: Von den baulichen Barrieren zur Kluft in Ihrer Gesinnungsgemeinschaft: Sie sind bzö-Gründungsmitglied und erst kürzlich mit 100 Prozent der Stimmen zum Bezirksparteiobmann von Klagenfurt-Land der "Freiheitlichen in Kärnten" gewählt worden. Fühlen Sie sich als Blauer oder Oranger?

Dolinschek: Ich bin ein Oranger, weil ich dazu stehe, was im Regierungsprogramm steht. Es war einfach nicht möglich, mit einzelnen Kräften in der fpö weiterzuarbeiten. Deshalb haben wir uns abgespalten.

Die Furche: Eine dieser Kräfte ist vermutlich der jetzige fpö-Chef Heinz-Christian Strache, der zuletzt die Spesenabrechnungen von Jörg Haider in der Höhe von 2,8 Millionen Euro zwischen 1998 und 2005 veröffentlich hat ...

Dolinschek: Natürlich ist es für die Allgemeinheit schwer verständlich, wie solche Spesen zustande kommen. Aber wenn jemand Bundesobmann ist, sind oft gewaltige Ressourcen notwendig. Den Jörg Haider hat jeder in seinem Bundesland als Wahlhelfer angefordert, und da ist er eben hingeflogen. Außerdem sind solche Ausgaben immer vom Parteivorstand und von der Leitung abgesegnet worden.

Die Furche: Laut Strache gibt es darüber hinaus im FPÖ-Sozialfonds Ausstände von 35.000 Euro. Wie viel haben Sie selbst in diesen Fonds eingezahlt?

Dolinschek: Ich habe nie etwas einzahlen müssen, weil wir eine Grenze von 60.000 und dann 66.000 Schilling netto eingeführt haben, und als Nationalratsabgeordneter habe ich nur 41.000 Schilling netto verdient.

Die Furche: Aber als Staatssekretär verdienen Sie nun 13.909 Euro monatlich brutto ...

Dolinschek: Ja, aber jetzt haben wir im bzö diese Regelung nicht mehr. Ich bin nie aufgefordert worden, hier hineinzuzahlen. Wir haben unsere Parteiabgaben, die zwölf Prozent vom absoluten Bruttogehalt betragen. Und das leisten wir alle. Das ist früher in den Topf der fpö gegangen - und geht jetzt eben in den Topf des bzö.

Das Gespräch führte Doris Helmberger.

Werkmeister im Hintergrund

Mit launigen Sprüchen muss man vorsichtig sein.

Das hat Sigisbert Dolinschek während seinem mittlerweile halbjährigen Regierungseinsatz allzu rasch gelernt. "Mühsam nährt sich das Eichhörnchen", meinte er im Februar als frisch gebackener, freiheitlicher Staatssekretär im Sozialministerium zum zähen Ringen um das Behindertengleichstellungsgesetz - ein Sager, den er nicht mehr los wird, wie er im furche-Interview beklagt. Inhaltlich hatte er freilich Recht: Zahllose Male sollte das ehrgeizige Gesetz, das als Herzensanliegen von Ex-Minister Herbert Haupt galt, schon den Ministerrat passieren - und wurde immer wieder vertagt. Vergangenen Mittwoch konnte der 51-jährige gebürtige Klagenfurter und gelernte Werkzeugmacher als Staatssekretär im Sozialministerium von Ursula Haubner (bzö) das Gesetz - inklusive Anerkennung der Gebärdensprache - endlich finalisieren. Ein großer Erfolg für das eher zurückhaltende Regierungsmitglied mit dem Kärntner Idiom, von dem lange Zeit kaum etwas in den Medien zu lesen war. Im Hintergrund politisch gewerkt hat der Haider-Fan der ersten Stunde freilich schon lange: Ab 1984 war er fpö-Parteimitglied, von 1990 bis Jänner 2005 saß er für die FPÖ im Nationalrat. Wie sein Vorbild Jörg hat freilich auch er am 17. April dieses Jahres die Farbe gewechselt. Dennoch schließt der Vater eines erwachsenen Sohnes eine blau-orange Wiedervereinigung nicht aus: "Mit einigen kann ich mir das vorstellen - aber nicht mit allen."

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