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Pfarrkirche Alt-Lerchenfeld in Wien - Fresken in der Kirche sollen gerettet werden. Walther Reyer, Frank Hoffmann, Regina Fritsch, Uli Reinthaller und ich lesen Goethe, das Bläserquintett Con Amore musiziert. Der Rahmen, das Kircheninnere, ist schlicht und feierlich, das Publikum aufmerksam. Ich sitze am weißbespannten Tisch zwischen Reyer und Hoffmann und höre zu, lausche und denke. Ein paar hundert Meter von da, Schottenfeldgasse Ecke Kandlgasse, hat mich das Licht der Welt erblickt. Lang ist es her. Fast 80 Jahre.

Auf der anderen Seite der Lerchenfelderstraße steigt die Albertgasse zur Josefstädter Straße hinauf, und da war meine Schule, das RG 8, vis a vis unser Pfadfinderlokal. Nelly Rabalek betreute uns Wöflinge, von denen auch nur mehr ganz wenige leben und alles andere als Wölfe geworden sind. Gefallen, vertrieben, vergast, verstümmelt und vergessen. Schwache Schatten der Erinnerung nur mehr.

Eigentlich müßte ich, wenn ich den Brilliantengrund betrete, Heimatgefühle haben, aber ich orte nur Erinnerungen. Da das Fenster, wo die Mutter gewunken hat, wenn ich mit dem Gewehr auf der Schulter zum Westbahnhof marschierte, um wieder "in den Krieg" zu gehen, wie sie sagte. Da war der Friseur - Stehlik hat er geheißen und einen Kindersessel hat er gehabt -, da haben der Walter und der Erich gewohnt, und hier vis a vis vom Kommissariat die Figl-Buam vom Hemdengeschäft. Das Sidlo-Wirtshaus in der Hermanngasse heißt jetzt anders. Mein Großvater war Stammgast, und jetzt geh ich hin und wieder dorthin auf eine Suppe. Seit drei Jahrzehnten lebe ich in Niederösterreich, Groß-Enzersdorf ist mir näher. Wieso? Warum? Weil halt die Jugend so weit weg ist und die Erinnerung verblaßt. Oder weil die Welt offener geworden ist, man nicht mehr so "eng" denkt, man ist vom Lokalpatrioten zum Europäer geworden. Oder doch nicht?

Con Amore spielt, Walter Reyers Stimme mit dem schönen Tiroler Klang tönt wohllaut in der halligen Kirche. Getauft bin ich in Schottenfeld, Pater Stefan Vogt hat er geheißen, fesch war er, 1919 war's . Ich zwinge meine Gedanken in die Gegenwart zurück. War's damals schöner, ist es heute erfreulicher? Ich komm dran und lese Goethe: Ach was soll der Mensch verlangen? Ist es besser ruhig bleiben? Klammernd fest sich anzuhangen? Ist es besser sich zu treiben?

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