Auf der Schwarzen Liste

19451960198020002020

Im Hollywood der fünfziger Jahre wurden zahlreiche Filmschaffende mit Berufsverbot belegt. Die Viennale zeigt Werke der Opfer eines entfesselten Antikommunismus.

19451960198020002020

Im Hollywood der fünfziger Jahre wurden zahlreiche Filmschaffende mit Berufsverbot belegt. Die Viennale zeigt Werke der Opfer eines entfesselten Antikommunismus.

Werbung
Werbung
Werbung

Schwarze Listen gibt es nicht nur in Diktaturen und unter autoritären Regimen, sondern auch in demokratischen Staaten. In den USA, damals wie heute ihrem Selbstverständnis nach Hort der westlichen Demokratie, wurden in den fünfziger und sechziger Jahren zahlreiche Filmschaffende Opfer einer solchen schwarzen Liste. Am Höhepunkt des Kalten Krieges wurden angebliche oder tatsächliche Sympathisanten des Kommunismus in Hollywood de facto mit Berufsverbot belegt. Das bedeutete das Ende von Karrieren, die Zerstörung von Existenzen, für einige - etwa Charles Chaplin oder Orson Welles - sogar den Gang ins Exil. Als "kalte Hinrichtung" bezeichnete Bertolt Brecht, der sich vor der Hexenjagd in die Schweiz absetzte, die Praxis der Schwarzen Liste. Im Rahmen des Filmfestivals Viennale werden nun 35 amerikanische Filme gezeigt, deren Drehbuchautoren oder Regisseure Opfer der blacklist wurden. Zu sehen ist die Retrospektive "Blacklisted" im Österreichischen Filmmuseum in Wien, das selbst auf einer Art Liste steht: Durch massive Subventionskürzungen seitens des Bundes sieht sich die renommierte Institution in ihrer Existenz gefährdet.

Nach dem zweiten Weltkrieg gelangte der Senatsausschuss zur Überwachung und Bekämpfung "unamerikanischer Aktivitäten" (HUAC) zur der Ansicht, die amerikanische Filmindustrie sei von "subversiven Elementen" unterwandert. Als solche galten nicht nur Sympathisanten und Mitglieder der Kommunistischen Partei, sondern auch Liberale, Anhänger des früheren Präsidenten Franklin D. Roosevelt und Mitglieder der Hollywood Anti-Nazi-League - kurzum: alle, die auf der linken Seite des politischen Spektrums angesiedelt waren.

Sieg der Intoleranz 1947 werden zehn Filmschaffende vor den Ausschuss zitiert, um eine einzige Frage mit yes oder no zu beantworten: Are you now or have you ever been a member of the Communist Party? Die Hollywood Ten, wie sie bald genannt werden, verweigern jedoch die Aussage unter Berufung auf den jedem Amerikaner heiligen, so genannten "Ersten Zusatz" der US-Verfassung, der das Recht auf Meinungs- Gedanken- und Redefreiheit garantiert. Einige wenige Hollywood-Stars wie Humphrey Bogart, Lauren Bacall und Danny Kaye treten öffentlich gegen die Hexenjagd auf, die meisten aber schweigen, aus Angst, selbst in den Verdacht "unamerikanischer Aktivitäten" zu geraten. Ein Schauspielerkollege hingegen unterstützt die Kommunistenjagd: der spätere US-Präsident Ronald Reagan.

Schließlich werden zwei der Hollywood Ten wegen Missachtung des Kongresses zu Haftstrafen verurteilt, die restlichen acht erklären sich solidarisch und gehen freiwillig für Monate ins Gefängnis. Es ist ein Sieg der Intoleranz und Heuchelei: Kurz danach wird der Vorsitzende des HUAC wegen Unterschlagung öffentlicher Gelder angeklagt und hat die Stirn, sich ebenfalls auf den "Ersten Zusatz" der Verfassung zu berufen. Er wird verurteilt und verbüßt seine Strafe zusammen mit zweien seiner Opfer im Gefängnis von Denver.

Nach dem Urteilsspruch gegen die Hollywood Ten erklärt die Motion Picture Association einstimmig, keinem der zehn Angeklagten mehr Arbeit in der Filmindustrie zu geben. Diese Schwarze Liste, deren Existenz von der Filmindustrie über Jahrzehnte geleugnet wird, füllt sich mit der Zeit mit hunderten Namen von Autoren, Regisseuren, Produzenten und Schauspielern. Denn mit dem Beginn des Koreakrieges 1950 gerät der Antikommunismus zum Kreuzzug. Vorsitzender des HUAC wird der berüchtigte Senator Joseph McCarthy, Symbolfigur jenes dunklen Kapitels der amerikanischen Geschichte, in dem Menschen aufgrund ihrer politischen Haltung kriminalisiert wurden. McCarthy lässt halb Hollywood vorladen, die Filmindustrie schlägt sich auf die Seite des Inquisitors: Er unterstütze die "Schädlingsbekämpfung" dröhnte etwa der Produzent Jack Warner: "Wir sollten sie ausrotten".

Viele Opfer der Schwarzen Liste, vor allem Drehbuchautoren, machten unter falschem Namen oder mit Hilfe von Strohmännern weiter. "In den USA ist es noch immer anstößig, darauf hinzuweisen, dass die Autoren und Filmregisseure Hollywoods, die auf der Schwarzen Liste standen, das amerikanische Kino nachhaltig beeinflussten", meint Thom Anderson, einer der Kuratoren von "Blacklisted". Tatsächlich sind die Filme der Retrospektive Meisterwerke der kritischen amerikanischen Films. Den im Filmmuseum gezeigten Streifen ist ein pessimistischer, düsterer Blick eigen, der die Schattenseiten des American Way of Life, die Gier nach Erfolg, Geld und Macht sowie Intoleranz und Gesinnungsterror brandmarkt. Das Thema Lynchjustiz und Menschenjagd zieht sich wie ein roter Faden durch die Filme, an denen Geächtete heimlich mitwirkten.

Die Arbeit im Untergrund trieb groteske Blüten: Der Drehbuchautor Ring Lardner Jr. etwa gewann vor und nach seiner Ächtung je einen Oscar, sein Kollege Dalton Trumbo einige, während er auf der Schwarzen Liste stand. Um 1960 verlor die blacklist an Einfluss, bei Walt Disney ("Die Kommunisten sind Feinde und gehören ausgeräuchert") hielt sie sich bis in die sechziger Jahre hinein. Der Drehbuchautor Al Levitt benutzte noch 1965 den Vornamen seines kleinen Sohnes. Das Team im Disney-Studio staunte nicht schlecht, als sie einmal frühabends bei Levitt anriefen, um Änderungen im Drehbuch zu besprechen: Sie habe ihn schon ins Bett geschickt, beschied die Mutter des vermeintlichen Autors den verdutzten Anrufern.

Bis 31. Oktober

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung