Es mag dem Salzburger Erzbischof Georg Eder ein Bedürfnis gewesen sein, in seinem Brief an Papst Johannes Paul II. deutlich von der kritischen Haltung seines Mitbruders Reinhold Stecher abzurücken, doch daß sich jemand öffentlich für einen anderen entschuldigt, also vor einer fremden Tür kehrt, wirkt stets befremdend.
Beschuldigungen, Unschuldsvermutungen und Entschuldigungen, das Einmahnen von Barmherzigkeit - die Themen Schuld und Sühne, Schuld und Vergebung prägen derzeit die Diskussion über die Kirche in Österreich. Damit sind aber allgemeine Probleme berührt: Wie geht man richtig mit Schuld um? Wie handhaben das einzelne Menschen und wie Institutionen?
Naturgemäß gibt keiner gerne Schuld zu. Naturgemäß neigen Einrichtungen, vor allem solche mit hohem moralischen Anspruch - Kirchen, Justiz, Polizei -, dazu, Verfehlungen ihrer Mitarbeiter möglichst zu vertuschen. Sind obere Etagen betroffen, gefährdet diese Taktik freilich die Glaubwürdigkeit der ganzen Institution. Im Fall der katholischen Kirche leidet darunter ihr teils als zu rigoros empfundenes, aber im Grunde unentbehrliches Einmahnen sittlicher Werte.
Kardinal Hans Hermann Groer, dem wieder alte Verfehlungen vorgeworfen werden, kann einem sehr leid tun, doch seiner Kirche würde anderes mehr dienen als sein Schweigen: eine öffentliche Erklärung, sein Gewissen sei rein, er fordere selbst eine kirchliche Untersuchung, oder das Eingeständnis, er habe sich schuldhaft verhalten, Details gingen aber keinen etwas an.
"Unterdrückte, verschwiegene Schuld vergiftet von innen", schrieb der 1945 hingerichtete evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer. Das gilt zuerst für den einzelnen, aber auch für Gruppen. Die Existenz von Schuld festzustellen, ist zunächst unerläßlich. Dann aber ist Christen aufgetragen, die eigene Schuld zu sühnen, die anderer aber zu vergeben und nicht unbarmherzig zu ahnden. Denn ein gewisser Jesus von Nazareth hat seine Jünger den Satz gelehrt: "Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern", und er hat gesagt: "Wer von euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein."
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!