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Neuinszenierung der Oper "Werther" von Jules Massenet am 19. Februar an der Wiener Staatsoper, dem Ort der Uraufführung.

Werther" zeigt deutlich die Wendung Jules Massenets von der pompösen Grand Opéra eines Meyerbeer oder Halevy und seinen eigenen früheren Werken zum "drame lyrique" mit seiner dichten, intimen Atmosphäre. Massenet wurde durch seinen Verleger Georges Hartmann auf das Sujet hingewiesen und begeisterte sich dafür, nachdem er 1885 Goethes Roman gelesen hatte. Anlässlich einer Bayreuth-Reise, noch erfüllt von den Eindrücken des "Parsifal", besuchte er sogar Wetzlar, den Schauplatz des Romans, um das kleinstädtische Lokalkolorit zu studieren. Edouard Blau und Paul Milliet verfassten das Libretto, und im Winter 1986 beendete Massenet die Partitur. Die Uraufführung sollte 1887 an der Pariser Opéra comique stattfinden, doch deren Direktor Léon Carvalho fand das Werk allzu traurig und wollte nach dem Fiasko mit "Carmen" 1875 nicht einen weiteren Mißerfolg riskieren. Als er der Aufführung letztlich doch zugestimmt hatte, brannte am 25. Mai 1887 das Theater ab und das Projekt wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.

Erst fünf Jahre später sollte "Werther" das Bühnenlicht erblicken - ausgerechnet an der Wiener Hofoper. Deren Direktor Wilhelm Jahn, ein begeisterter Anhänger Massenets, hatte 1890 mit dessen "Manon" einen Triumph gefeiert, an dem nicht zuletzt das attraktive Sängerpaar Ernest van Dyck und Marie Renard Anteil hatte. Er nahm "Werther" zur Uraufführung an; Max Kalbeck stellte eine deutsche Fassung unter Verwendung originaler Textstellen von Goethe her und am 16. Februar 1892 wurde die neue Oper in Gegenwart des Komponisten unter Leitung von Hans Richter vom Publikum freundlich aufgenommen; van Dyck und Marie Renard (eine gebürtige Steirerin, die eigentlich Pölzl hieß) wurden als kongeniales Liebespaar gefeiert.

Die Kritik war dem Komponisten nicht durchwegs freundlich gesinnt. Wie schon bei Gounods "Faust" schrieb man von einer Schändung des größten deutschen Dichters, und G. B. Shaw bemängelte das Fehlen jeglicher Dramatik. Just in der Goethe-Stadt Weimar kam es schon am 13. November 1892 zur deutschen Erstaufführung, wodurch die verbreitete Ansicht, ein "welscher" Komponist dürfe ein Werk der deutschen Klassik nicht verunstalten, neue Nahrung erhielt. Hingegen wurde die Pariser Premiere 1893 ein großer Erfolg, der sich jedoch erst seit den 1980er Jahren allmählich auf deutsche Bühnen übertrug.

Massenets "Werther" entspricht - allen zeitgenössischen Anfeindungen zum Trotz - in seinem elegisch-lyrischen Charakter durchaus der Grundstimmung von Goethes Dichtung. Der von Instrumentalsoli durchzogene Orchesterklang bleibt stets transparent und pastellfarben; selbst die dramatischen Ausbrüche, insbesondere im zweiten und dritten Akt, bleiben durchhörbar und überlagern nie den empfindsamen Grundcharakter der beiden Hauptgestalten. Atmosphärische Anklänge an den von Massenet verehrten Wagner ergeben sich vor allem in der langen Schlussszene. Die durchkomponierte Großform wird durch einzelne ariose Passagen aufgelockert; so in Werthers Auftritt im ersten Akt, in Charlottes Briefszene und in dem berühmten "Pourquoi me réveiller" des dritten Aktes. Das Grundgerüst des ganzen Werkes bilden vier expressive Duettszenen zwischen Werther und Charlotte, in denen die Leidenschaft und Aussichtslosigkeit ihrer Beziehung plastisch zum Ausdruck kommt.

"Werther" war an der Wiener Staatsoper seit der letzten Inszenierung 1986 eine Herausforderung für prominente Tenöre, von denen hier José Carreras, Alfredo Kraus, Neil Shicoff und Luis Lima genannt werden sollen. Wenig bekannt ist, dass auch eine Baritonfassung der Titelrolle existiert, deren sich Thomas Hampson im April 2004 in Toulouse und Paris in konzertanten Aufführungen angenommen hat. Die Rolle der Charlotte wurde in Wien von Agnes Baltsa, Frederica von Stade, Ann Murray, Martine Dupuy, Ileana Cotrubas und zuletzt (im Theater an der Wien) von Jennifer Larmore verkörpert. Auf die Neuinszenierung durch Andrei Serban unter der Leitung des jungen Philippe Jordan in der jugendlichen Besetzung mit Marcelo Álvarez und Elina Garanca darf man gespannt sein.

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