Jugendkultur im Internet

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Discoübertragungen, Live-Events und der erste Web-TV-Sender Österreichs: die Jugendkultur setzt voll aufs Internet.

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Discoübertragungen, Live-Events und der erste Web-TV-Sender Österreichs: die Jugendkultur setzt voll aufs Internet.

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Schnelle Beats und hämmernde Bass-Lines, die einem durch Mark und Gebein fahren; Musik, die in der Magengegend zu spüren ist und den ganzen Körper zum Vibrieren bringt: Das ist es, was sich ein "Ur-Flexer" - wie Stammbesucher des Flex im Szenejargon genannt werden - erwartet. Wo früher ein U-Bahn-Stollen war, befindet sich heute einer der wichtigsten Clubs der Stadt. Fast alles, was internationale Magazine über die Wiener Musikszene berichten, nahm hier seinen Anfang.

"Wir liefern Qualität und sind nicht mit dem Massengeschmack unterwegs. Wir sind anders als die Konkurrenz", unterstreicht Flex-Geschäftsführer Tom Eller. Als Beweis dafür überträgt er den Flex-Sound seit einem Jahr live im Internet - eine absolute Neuheit in Österreich. Wer für die Homeparty nicht die richtige Musik zu Hause hat, braucht nur den Computer einschalten und die Flex-Homepage (www.flex.at.) anwählen. Via Real-Audio-Player bekommt man die Club-Stimmung direkt ins Wohnzimmer geliefert.

Empörte Mails Wie sehr das Internet-Angebot genutzt wird, zeigt sich bei technischen Pannen. "Funktioniert die Übertragung einmal nicht, werden wir gleich mit empörten Mails überschüttet. Alle fragen, was los ist und wann endlich die Musik wieder zu hören ist", erzählt Eller.

Auch sonst erhält der Geschäftsführer viele Mails: "Die Gäste schicken mir ihr Feedback per Mail. Sie sind dabei sehr direkt und schreiben mir Sachen, die sie sich im persönlichen Gespräch nicht trauen." Eller sieht die Reaktionen grundsätzlich positiv: "So erfahre ich, ob und wie wir mit unseren Events ankommen."

Ein Geheimtip für Musikliebhaber ist auch das Rhiz. Das in den Stadtbahnbögen entlang des Wiener Gürtels vor einem Jahr eröffnete Lokal stellt in jeder Hinsicht ein Novum dar. Es belebt nicht nur die verrufene Straßenstrich-Meile bei der U6-Station Josefstätter Straße, sondern hat auch im Internet einiges zu bieten. Denn auf der Homepage (www.rhiz.org.) werden alle Musikevents live in Bild und Ton übertragen.

Fast jeden Abend treten im Rhiz Interpreten verschiedenster Stilrichtungen auf. Geboten wird eine bunte Mischung elektronischer und experimenteller Kunst: von Soulsamples über Lautgedichte bis hin zu sphärischen Klangwelten und scheppernden Maschinenbeats.

"Wir verstehen uns als Refugium für Musikliebhaber. Wir bieten eine unkomplizierte Plattform für all jene, die sich mit zeitgemäßer und anspruchsvoller Kultur auseinandersetzen. Die Internet-Übertragung via Web-Camera und Real-Audio sind von Anfang an ein fixer Bestandteil unseres Programms", betont Dieter Kovacic, der für die Rhiz-Homepage verantwortlich ist. Täglich verfolgen bis zu 6.000 Surfer die Live-Events.

"Die Reaktionen sind äußerst positiv. Über den Datenhighway haben wir eine weltweite Fangemeinde. Wir bekommen sogar Mails aus Japan und den USA", so Kovacic. Das Rhiz ist für ihn ein "Ort der zukünftigen Informationsgesellschaft. Unser Lokal existiert real und virtuell - in Wien und an jedem Ort der Welt."

Tagsüber ist das Lokal am Lerchenfelder Gürtel ein ganz gewöhnliches Cafe - nur mit einem Unterschied. Statt Zeitungen liegen Laptops auf, mit denen der Besucher zum Selbstkostenpreis (15 Schilling für eine halbe Stunde) surfen kann. "Über Internet hat man ohnehin Zugang zu allen internationalen Zeitungen", schmunzelt Kovacic.

Über die Web-Camera kann man sich beim Surfen beobachten lassen, was sich vor allem bei einem Online-Flirt positiv auswirkt. "Wenn Gäste chatten und nach ihrem Äußeren gefragt werden, brauchen sie sich nur vor die Kamera stellen und der Internet-Partner weiß sofort, mit wem er es zu tun hat."

Zur heimischen Cyberelite gehört auch Thomas Madersbacher, Initiator des ersten Internet-TV-Senders Österreichs namens "TIV" (True Image Vision). Madersbacher ist längst eine Kultfigur, was die Nutzung neuer Medien betrifft. Als "Radiopirat" baute er einst den Sender K4 auf, der jetzt als RTL 92,9 on air ist. Inzwischen feiert er mit TIV sein Comeback. "Es hat bis jetzt in Österreich niemand geschafft, ein gutes Fernsehprogramm für ein junges Publikum zu machen. TIV schließt diese Marktlücke", so der Programmacher.

Internet-TV-Sender Das TIV-Studio befindet sich in der Alpenmilchzentrale im vierten Wiener Gemeindebezirk. Auch wenn es dort noch ein wenig wie auf einer Baustelle aussieht, wird seit November 1998 zweimal wöchentlich eine eigene Sendung produziert. Zu sehen sind diese bislang nur im Internet (www.tivision.at). "Wir wollten nicht darauf warten, bis wir eine Sendelizenz bekommen. Daher starteten wir mit unserem Programm im Internet.

Die via Real-Video-Player abrufbaren Online-Bilder erwecken den Eindruck, als würden sie gerade erst beginnen, das Laufen zu lernen. Trotzdem sind die Einschaltziffern hoch. "Auf unserer Homepage verzeichnen wir monatlich bis zu einer halben Million Zugriffe. Das liegt weit über unseren Erwartungen."

Langfristig, ist Madersbacher überzeugt, würden Internet und Fernsehen ohnehin verschmelzen. "Bald wird alles aus einem einzigen Gerät kommen. Dann wird es etwa möglich sein, daß sich Zuseher mittels Web-Camera live an Studiodiskussionen beteiligen."

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