Viele Knochenbrüche sind vermeidbar

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Osteoporose entwickelt sich immer mehr zu einer Volkskrankheit. Durch Vorsorge und rechtzeitige Therapie könnten viele Knochenbrüche verhindert werden.

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Osteoporose entwickelt sich immer mehr zu einer Volkskrankheit. Durch Vorsorge und rechtzeitige Therapie könnten viele Knochenbrüche verhindert werden.

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Jährlich sind in Österreich mehr als 40.000 Knochenbrüche auf Osteoporose zurückzuführen. Osteoporose entwickelt sich immer mehr zu einer Volkskrankheit. Aufgrund der steigenden Lebenserwartung und des dadurch anwachsenden Anteils der über 60jährigen in der Bevölkerung schätzen Experten, daß es im Jahr 2050 bereits mehr als 31 Prozent der Österreicher geben wird, die von dieser Erkrankung betroffen sein werden.

In Österreich leidet bereits heute jede dritte Frau über 50 Jahre an Osteoporose. 40 bis 50 Prozent aller stationären Patienten in Unfallkrankenhäusern sind alte Menschen mit hüftnahen Brüchen. Bei den 70- bis 80jährigen Frauen ist jede zweite von einem übermäßigen Knochenabbau betroffen. 25 Prozent der Frauen im Alter von 70 Jahren haben bereits mindestens einen Wirbelkörperbruch erlitten. Mit 80 Jahren weisen fast alle ein Zusammensinken zumindest eines Wirbelkörpers auf.

Die Sterblichkeit beläuft sich auf fünf bis 20 Prozent. Nach Oberschenkelhalsbrüchen sterben 15 Prozent der Betroffenen. 50 Prozent der Überlebenden brauchen nach dem Krankenhausaufenthalt ständige häusliche Pflege.

Auch Männer können an Osteoporose leiden. Sie tritt bei einem von 20 Männern auf und kann unter Umständen sehr ausgeprägt sein und einen Rückgang der Körpergröße um bis zu 25 bis 30 Zentimeter bewirken. Ein Mangel des männlichen Geschlechtshormons Testosteron ist eine mögliche Ursache dafür, die Krankheit kann jedoch auch durch die Verwendung von Kortikosteroiden, übermäßigen Alkohol- oder Nikotinkonsum und andere gesundheitliche Probleme verursacht sein.

Die Osteoporose und ihre Komplikationen verursachen entsprechend hohe volkswirtschaftliche Kosten. Jeder Oberschenkelhalsbruch kostet beispielsweise in den ersten vier Wochen 70.000 Schilling.

Osteoporose entsteht durch einen außerordentlichen Verlust an Knochenmasse und -gewebe, sodass das Skelettsystem mechanisch minderwertig und weniger widerstandsfähig wird. Das bewirkt eine verstärkte Knochenbrüchigkeit, weshalb es auch nach kleinen Unfällen bereits zu den gefürchteten Einbrüchen der Wirbelkörper, zu Oberschenkelhalsbrüchen oder Brüchen der Speiche kommen kann.

Sonne, Milchprodukte Unser Knochengewebe besteht aus organischen und anorganischen Anteilen und ist gekennzeichnet durch einen ständigen Auf- und Abbau. Der Knochen ist also im Gegensatz zur gängigen Meinung ein höchst lebendiges Gewebe. Knochen bestehen hauptsächlich aus Bindegewebe, welches für die Elastizität verantwortlich ist. Der Knochenbestandteil Kalzium sorgt für Härte und Widerstandsfähigkeit. Im Alter nimmt die Festigkeit der Knochen ab. Hormone spielen hier eine wichtige Rolle. Deshalb sind Frauen nach den Wechseljahren besonders gefährdet.

Um die Belastbarkeit der Knochen zu erhalten, ist es wichtig, schon in jungen Jahren mit der Nahrung ausreichend Kalzium aufzunehmen. Dieses Mineral findet sich hauptsächlich in Milch, Milch- und Vollkornprodukten.

Allerdings benötigt der Körper zur Einlagerung in die Knochen eine gewisse Hilfestellung. Diese wird vom Vitamin D gegeben, das wir ebenfalls mit der Nahrung aufnehmen. Reich an Vitamin D sind besonders Eigelb, Milchprodukte und fettreicher Fisch. Auch die Haut ist in der Lage, unter Sonneneinwirkung (UV-Strahlen) Vitamin D zu bilden, diese Fähigkeit nimmt jedoch mit zunehmendem Alter ab. Im Winter wird aufgrund der geringeren Sonnenscheindauer weniger "Hautvitamin" umgewandelt.

Um den notwendigen Bedarf an Kalzium und Vitamin D zu decken, ist eine bewusste Ernährung unabdingbar. Dazu sollte regelmäßige Bewegung an der frischen Luft kommen. Diese und die Sonne fördern nicht nur die Vitamin D-Umwandlung, es werden auch die Muskeln trainiert und der Stoffwechsel angeregt. Dadurch bleiben die Knochen kräftig und brechen nicht so leicht.

Nach Meinung von Universitätsprofessor Robert Willvonseder, Vorstand der Osteologischen Ambulanz im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Wien, nehmen junge Mädchen und Burschen zu wenig Kalzium auf, sodass ihre Knochen nicht die ideale Festigkeit bis zum 35. Lebensjahr erreichen. Bis dahin sollte der Knochen aber vollständig aufgebaut sein, ab dann zehrt man von dem "was man hat". Hat man weniger Knochensubstanz, kommt man schneller in den Bereich, in dem der Knochen nicht mehr stabil ist.

Auch eine schlechte Zusammensetzung der Nahrung kann zum Risikofaktor für Osteoporose werden. "Eine normale, gemischte Kost ist ideal, alles was natürlich ist, sollte in der Nahrung enthalten sein. Viele Menschen machen heute den Fehler, ihre eigenen Vorstellung von einer Essenszusammensetzung in der Ernährung umzusetzen," meint Willvonseder.

Der Osteoporose-Spezialist war es auch, der in den siebziger Jahren, gemeinsam mit einer kleinen Gruppe von Ärzten, damit begann, jene Hormone zu bestimmen, die den Haushalt für den Knochen regulieren. Das erste Knochendichtemessgerät für Österreich wurde im Wiener AKH im Zuge dieser Forschungsergebnisse installiert. Mittlerweile gibt es österreichweit genügend Stellen für die Knochendichtemessung (oder Densitometrie). Bei steigender Tendenz der Erkrankung in unserer Bevölkerung kommt natürlich dem Thema Vorsorge heute eine wichtige Bedeutung zu.

Die Mess-Stellen, die die Bestimmung der Knochenmasse vornehmen, sowie eine sorgfältig durchgeführte Anamnese, die die internen Ursachen der Erkrankung erkennt, sind Voraussetzung, den Ausbruch der Krankheit zu verhindern. Auch können bereits vorhandene Folgeerscheinungen reduziert werden. Willvonseder: "Durch Vorsorge und rechtzeitige Therapie im Anschluss an die Knochendichtemessung kann die Frakturrate der Hüfte um 51 Prozent, die der Wirbelsäule um 46 Prozent und die des Handgelenks um 41 Prozent gesenkt werden."

Medikamente Wirklich gute Therapieerfolge stellen sich nach den Erfahrungen Willvonseders nur dann ein, wenn zusätzlich zur medikamentösen Therapie physikalische Maßnahmen eingesetzt werden und die Patienten auch zu entsprechenden körperlichen Aktivitäten motiviert werden. Auch Heilgymnastik und eine entsprechende Information betreffend richtige Ernährung sind in die Therapie mit einzubeziehen.

Zur medikamentösen Behandlung der Osteoporose stehen zwei Gruppen von Medikamenten zur Verfügung: einerseits solche, die die Neubildung der Knochen anregen (etwa Natriumflorid), andererseits Medikamente, die den Knochenabbau hemmen (Östrogene, Calcitonine, Biphoshonate).

Zusätzlich kann durch Einnehmen von Vitamin-D die Kalziumbilanz des Organismus verbessert und ein positiver Effekt auf die Knochenneubildung und Mineralisation erzielt werden. Calcitonin ist ein Eiweißhormon, das seit vielen Jahren zur Behandlung der Osteoporose und vor allem - wegen seines schmerzstillenden Effekts - bei frischen, osteoporotisch bedingten Brüchen mit Erfolg eingesetzt wird.

Osteoporose kann aber auch durch verschiedene Krankheiten, die mit einem erhöhten Knochenabbau einhergehen, auftreten. Einzelne Medikamente können ebenfalls Osteoporose auslösen. Vor jeder Therapie muss daher auch jede mögliche zugrundeliegende Erkrankung behandelt werden.

Osteoporose ist heute auch von der WHO als eigenes Krankheitsbild definiert, nicht zuletzt wegen der großen sozioökonomischen Bedeutung der Erkrankung. "Das Wissen um diese Krankheit hat sich im letzten Jahr sehr gebessert, es ist heute fast Allgemeingut, sodass es auch keine Schwierigkeiten mit der Verordnung der Medikamente mehr gibt." Willvonseder sieht die Behandlung der Osteoporose als multidisziplinäre Aufgabe der Medizin. "Wir brauchen den Orthopäden, den physikalischen Therapeuten, den Röntgenologen, das Labor."

Die Osteologische Ambulanz von Willvonseder im Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Wien behandelt und untersucht jährlich rund 2.500 Patienten im Hinblick auf Osteoporose. Jeder dieser Patienten wird durch eine etwa halbstündige Anamneseerhebung in das entsprechende Untersuchungsprogramm eingeführt.

Selbsthilfe bei Osteoporose: Im Frauengesundheitszentrum F.E.M., besteht die "Selbsthilfegruppe Osteoporose". Information: (01) 476 15-5771 Weitere Anlaufstellen: Krankenhaus der BarmherzigenBrüder, Tel: (01) 211 21-2102 AKH, Hormon- und Wechselambulanz, Tel: (01) 40400-2851 und 2852

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