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Mit Hausverstand

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Spiohwörter sind Fenster, so schreibt Rolf Italiaander in seiner Einleitung zu dieser Sammlung von Sprüchen und Redewendungen aus dem arabisch-nordafrikanischen Raum. Man kann sehr viel aus Sprichwörtern und Aphorismen heraushorchen. Man lernt die Gefühle anderer kennen und erfährt dabei, wie ähnlich sie dem eigenen Empfinden sind, wenn sie auch oft in einer für uns ungewohnten, bilderreichen Sprache dargestellt werden.

Sprichwörter sind situationsgebunden: in jedem Augenblick das rechte Wort. So wie Sancho Pansa in Cervantes' „Don Quichotte“ zu jeder Handlung auch das jeweils passende Sprichwort kennt; und wenn das eine nicht zutrifft, so weiß er auch schon das Gegenteil in einem neuen auszudrücken. Es ist der gute Hausverstand, der in solchen Sprichwörtern lebt.

Manche Sprichwörter spiegeln die ganze Schläue und Weisheit ihres Erfinders wider. So spürt man aus folgendem Satz die listige Resignation eines arabischen Ehemannes: „Wofür der Teufel ein Jahr braucht, dafür hat eine Frau eine Stunde nötig.“ Bei anderen Aussprüchen hat man aber eher das Gefühl, als kaue man einen uralten Kaugummi: geschmacklos und fad. Viele der vorliegenden arabischen Weisheiten sind für uns selbstverständlich, da wir die Situation, aus der sie entstanden sind, nicht kennen, da wir nicht einmal die Bedeutung erahnen können. Und das ist auch die Schwäche dieser Sammlung von Rolf Italiaander. In der Aufeinanderfolge sich widersprechender Sätze töten sich die Sprichwörter selbst und hinterlassen im Leser die Leere des Nicht-Verstehens. Natürlich ist es richtig, daß man so eine Sammlung nicht durchlesen kann wie einen Roman. Die Weisheiten — so lustig und tiefgründig viele sind — hätten sehr gewonnen, wenn sie, gepaart mit Anekdoten und Erzählungen aus der Welt der Nordafrikancr. erschienen wären.

SEIT FÜNFZIG JAHREN erfreut die Insel-Bücherei durch die von ihr herausgegebenen Werke der gesamten Weltliteratur ein stetig wachsendes Lesepublikum. Der Verlag, der seit seinem Bestehen 958 verschiedene Titel veröffentlichte, hat mit dieser dezenten, in Kleinformat herausgebrachten Buchreihe zu „volkstümlichen“ Freisen für anspruchsvolle Leser literarische Kostbarkeiten geschaffen. Anläßlich des schönen Jubiläums brachte der Verlag den Bibliographieband „5 0 Jahre Insel-Bücherei“ (bearbeitet von Heinz Sarkowski) Vorwort von Hanns W. Eppelsheimer, 70 Abbildungen, 360 Seiten, Preis 3 DM) heraus. Dieser begrüßenswerten Bibliographie mit den zahlreichen Titel- und Textillustrationen seien hier die oben wiedergegebene Zeichnung von Oskar Kokoschka zu „Tubutsch“ von Albert Ehrenstein (übrigens die ersten zeitgenössischen Illustrationen der Insel-Bücherei im Jahre 1919) und, links, eines der Bilder des Romans von Frans Mase-reel „Geschichte ohne Worte“ (im Jahre 1933 verlegt) entnommen.

Olinda Pawek

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