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Öl aus der Wüste

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Das Erdöl ist die Ursache, daß Libyen heute immer mehr ins Blickfeld des Weltinteresses rückt. Dieses junge nordafrikanische Königreich, flächenmäßig 21mal so groß wie Österreich, wird, da es fast nur aus Wüste besteht, von kaum 1,3 Millionen Menschen bevölkert. Es setzt sich zusammen aus drei ganz verschiedenen Landesteilen: aus Tripolitanien, das hauptsächlich von Berbern bewohnt wird, der Cyrenaika, die von dem arabischen Volksstamm der Senussi bevölkert wird, und dem Fezzan, einem Wüstengebiet, wo Tuaregs

nomadisieren. Der heute 74 Jahre alte König El Sayed Mohammed Idris el Senussi residiert abwechselnd in Tripolis, der Hauptstadt von Tripolitanien, in Benghasi, der Hauptstadt der Cyrenaika, doch am liebsten weilt er im Djebel Akhdar (Grüne Berge), wo er die dritte Hauptstadt baut. Der König ist zugleich Oberhaupt der Senussi-Sekte.

Durch die Sahara waren hier Regierung und Bewohner vor schwierige Probleme gestellt. Doch nicht immer war hier Wüste. Bedeutende Reste römischer Ruinenstädte Libyens, in deren Nähe die heutigen Siedlungen liegen, beweisen, daß der libysche Raum vor 2000 Jahren ein gesegneter Landstrich gewesen sein muß. Die großen Städte, wie Leptis Magna, Sabratha und Öea (an der Stelle des heutigen Tripolis) waren bedeutende Wirtschaftszentren: Von hier erschlossen Karawanenstraßen seit Jahrtausenden die Länder des Nils, des Sudans und Zentralafrikas. Vom Reichtum zeugen noch heute gewaltige Amphitheater, verschwenderisch mit Statuen und Mosaiken geschmückte Tempel, Häuser, Thermen, schließlich große Triumphbogen, die in den letzten Jahrzehnten aus dem alles bedeckenden Sand ausgegraben wurden ...

Befährt man heute die asphaltierte Küstenstraße, so fährt man über die unter der Straßendecke liegenden ein Meter starken Rohre von Ölleitungen, die zu den neu errichteten Erdölhäfen in der Großen Syrte führen. Die unendliche Stein- und Sandwüste, welche einst nur die Nomaden mit ihren Kamelen durchquerten, sind heute vom Dröhnen der Motoren der 70 bis 100 Tonnen schweren Desert Trucks erfüllt; an fündigen Stellen bohren sich Sonden in den Wüstenboden; Bohrtürme wachsen in den Himmel. Wo vor kaum 20 Jahren die Armeen Rommels und Montgomerys einen erbitterten Wüstenkrieg ausfochten, ziehen heute wieder schwere Fahrzeuge ihre Bahn, kreisen Aufklärungsflugzeuge und hallen die Detonationen von Sprengungen, mit denen Geophysiker die Gesteinsformationen tief unter der Erde auf die Möglichkeit von ölspeichern zu erkunden suchen. 1955, als die erste Versuchsbohrung fündig wurde, sind die ersten Konzessionsgebiete in Libyen vergeben worden, an deren Erträgnissen die Regierung mit 50 Prozent beteiligt ist. Heute arbeiten in Libyen bereits 20 ausländische ölgesell-schaften, die 1963 16 Millionen Tonnen Erdöl förderten; heuer sollen es schon 50 Millionen Tonnen sein!

Die Regierung aber füllt endlich ihre bisher leerstehenden Kassen, wobei etwa 75 Prozent der Einnahmen sofort in dringende Entwicklungsprojekte gepumpt werden.

Das Land, das zu den ärmsten A.frikas zählte, das trotz Auslandshilfen und Pachteinnahmen aus westlichen Stüt.-punkten noch immer zwanzigmal mehr einführen mußte als es exportieren konnte, ist buchstäblich über Nacht zu einem der reichsten Länder der Welt avanciert.

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