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Tragikomodie des Komischen

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Erstaunlich bleibt an der Komödie „Der Menschenfeind“ (Le Misan-thrope) von Moliere die frühe Entstehung (1662). Da hat sich ein denkender Privatmann, also ein Intellektueller, in einer uniformen Gesellschaft am Aiisgang der Feudalität (diesen historischen Moment markiert Molieres Werk) eine halbwegs gesicherte Stellung erkämpft, und statt nun auf der Höhe des sozialen und mondänen Erfolges die neue Macht mitzugenießen — sagt er der ganzen Menschheit seine Feindschaft an. Alceste ist nämlich ein enttäuschter, beleidigter Idealist, ein unnachgiebiger Wahrheitsfanatiker und Querulant dazu; in ihm ist ein Stück von Raimunds Rappelkopf und Hofmannsthals „Schwierigem“ vorweggenommen. Aber alles das erklärt nicht die tragische Härte des Endes, die brüske Entschließung, den Weg zum reinen, natürlichen Menschsein in die völlige Einsamkeit zu gehen. Es hätte nicht viel Sinn, das Stück biographisch aufzuschlüsseln; sicherlich ist die blutjunge, leichtsinnige Madame Moliere in die Celimene eingegangen. Molieres eigene ungetreue Frau spielte denn auch die Rolle der herzlos flatterhaften, vielgeliebten jungen Witwe, er selbst den Alceste, vielleicht um anzudeuten, daß hier des Autors eigenste Sache abgehandelt wurde. Zwischen dem grollenden Beginn und dem düsteren Ausgang vollzieht sich das graziöse Spiel der Amouren inmitten einer lügenhaften, klatsch- und tratsch-süchtigen Gesellschaft. Von Akt zu Akt steigert sich die Komödie, denn nicht nur das keifende Rededuell zwischen der koketten und der prüden Rivalin, das Gehabe der Gecken und Höflinge, auch der Menschenfeind“ selbst wirkt komisch, wenn er die ganze Welt unerträglich findet, ausgenommen die eigene isolierte Existenz eines Grobians.

Regisseur Dietrich Haugk wollte das theatralisch ungemein ergiebige Stüde von zeitloser Aktualität ausdrücklich als „Tragödie der Jugend“ aufgefaßt wissen. Wohl, weü er im Theater in der Josef Stadt für die beiden Hauptrollen zwei jugendliche Darstellar zur Verfügung hatte. Das Ergebnis war jedoch merkwürdig enttäuschend. Der Grandtseigneur Alceste, der um seine Misanthropie und Lächerlichkeit weiß („Ich will lächerlich sein“) und sich dem Gelächter der Bosheit um ihn aussetzt, ist kein zorniger junger Mann, sondern auf der Höhe der Einsicht und Menschenkenntnis. Die kann der sonst vortreffliche Schauspieler Michael Heitau nicht glaubhaft machen. Und Elfriede Irrall spielt eher die gutmütige Koketterie, aber nicht die kalte Herzlosigkeit, die ebenso in der Figur, angelegt ist. Franz Messner gefällt als der wak-kere Freund des Alceste, Michael Toost, Peter Matic, Klaus Wildbolz charmieren als Playboys vom Hofe. Grete Zimmer ist die säuerliche Arsinoe und Barbara Khol eine recht farblos gutmütige Eliante. Die Übersetzung von Hans Weigl hat gegen frühere Übersetzungen gewiß ihre Meriten. Aber den Zwiespalt zwischen dem klassizistischen Barock der Moliereschen Alexan-drirae und einer modernen, gut sprechbaren Fassung löst auch sie nicht ganz; er wird wohl in jeder Übersetzung unlösbar bleiben. — Freundlicher Beifall.

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