6741246-1966_42_15.jpg
Digital In Arbeit

Allerlei Gaudium

Werbung
Werbung
Werbung

Theater im Palais Erzherzog Karl: Ein Mann, der sich von seiner Frau tyrannisiert vorkommt, ist zu vielem imstande. Sogar zu einer Epiphanie; was im gleichnamigen Einakter von Lewis John Carlino die Vereinigung des homo sapiens mit dem gailus domesticus bedeutet. Denn nur in der absoluten Hierarchie der Haushühner kann die untergrabene Mannesehre des 'von seiner Frau bei homosexuellen Neigungen ertappten Ornithologen, der jenen Tatbestand heftig bestreitet, wiederhergestellt werden. Der Hühnerstall ist bereits in der Wohnung installiert, die Frau zum Gehorchen gezwungen. Es gibt kein Entrinnen ... Als allerdings bei der unter großem Gegacker und Ge- krähe vor sich gehenden Verwandlung der männlich strotzende Hahn ein Ei legt, hat die Radikalkur ein jähes Ende. Kleinlaut verkriecht er sich hinter den .schützenden Fittichen der „Mutterhenne“. Im zweiten Einakter (beide laufen unter dem gemeinsamen Titel „Käfige“), „Schnee-Engel“, versucht ein etwas beharrlicher Gast, mit einer Hure die große Liebe seines Lebens zu rekonstruieren, Es gelingt nicht, weil sich seine Partnerin selbst mit einem früheren Erlebnis herumschlägt. Niemand kann aus seiner Haut heraus — oder aus seinem Käfig... Wenn auch das zweite Stück (in der Reihenfolge eigentlich das erste) weniger originell, realistischer und undankbarer ist, beide haben sie den Vorzug, gut gebaut zu sein. Zweifellos versteht der gebürtige New Yorker Carlino sein Handwerk. — Florian Lepuschitz inszenierte diese österreichische Erstaufführung sehr sauber und mit viel Sinn für die Nuancen zwischen Resignation und Komik. Beachtliche schauspielerische Leistungen von Gabriele Buch und Manfred Schmid. Gutes Bühnenbild von Tibor Vartok.

Die „Original Tiroler Pradler Ritterspieler“ haben das Lokal des ehemaligen Studententheaters in der Biberstraße gepachtet, um hier ein ständiges Domizil zu finden. Man kann das nur begrüßen. Erstens, weil so die Lokalität ein Theater geblieben ist, zweitens, weil die Pradler eine nicht unbedeutende Ergänzung des Wiener Theaterlebens därstellen. Das große blutig-komische Ritterdrama in zwei grauenhaften Absätzen „Raubritter Blaubart“ oder „Der Kampf mit dem Totengerippe um Mitternacht“ oder „Die Rache einer ehemaligen Unschuld" war denn auch der rechte Anfangsspaß. Gegen Ende war das Ganze allerdings eher ein Kampf mit der Technik vor Mitternacht, man hätte sich weniger Längen und mehr Präzision gewünscht, aber die Pradler sind erst frisch eingezogen — sie werden sich zum Gaudium der blutrünstigen Zuschauer hoffentlich bald einspielen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung