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Volksnahes Lustspiel
Das Volkstheater eröffnet seine Spielzeit 1948 49 mit Shakespeares „Was, Ihr w o 111“. Es ist bekanntlich ein eigen Ding um Shakespeares Lustspiele — und um ihre Wiedergabe auf der Bühne im Wandel der Zeitläufte. Zu letzterem vermittelte die Wiener Shakespeare-Ausstellung der Nationalbibliothek im vergangenen Jahr kostbare Einblicke: pompöse und ekstatische, prunkvolle und präziöse, eigenwillig phantastische Inszenierungen sah die Bühne Europas von London bis St. Petersburg in der vergangenen Jahrzehnten. Ein Höhepunkt theatralischer Phantasmagoric: Max Reinhardts Auflösung , des shakespeareschen Gehalts in das artistische Mirakel eines „Gesamtkunstwerks“ des Scheins — zwischen König Ludwig von Bayern und Richard Wagner, Wilhelm II. undHitler … Nun, diese echten und unechten Kostbarkeiten in Stil und Auffassung und Aufführung der Komödien Shakespeares ge-c hören der Vergangenheit an. Nur ein ganz großer Regisseur dürfte es wagen, sie wieder herein zu rufen ins Gesichtsfeld der Gegenwart, nur ganz große Schauspieler könnten es sich leisten, jene überkultivierte Hochtonigkeit aufklingen zu lassen, die gerade die tiefsten und zartesten Spiele dieser Art — Mysterien des Schmerzes, der sich zu perlenden Tränen der Freude klären will (denken wir nur an den „Sturm“) — trägt.
Das Volkstheater wußte um seine Grenzen, um seine Möglichkeiten, und hat, völlig absehend von großen verlockenden Vorbildern, in seiner Neuinszenierung einen Volks-’ Shakespeare erstellt, der sich auf seine Art durchaus sehen lassen kann! Mit Recht wurde eines der simpelsten, einfarbigsten Spiele gewählt, „Was Ihr wollt“. Gewiß, man kann gerade diese Komödie als ein kleines, sehr aristokratisches Juwel aufklingen lassen. Hier aber läuft und tollt es nun, tanzt purzelnd und jauchzend über die Bühne. Es ist zum Volksstück geworden — und nimmt sich als. solches gar nicht schlecht aus! Mit Recht stehen deshalb die Schalks- und Rüpelszenen sehr im Vordergrund (Hans Frank- als Mal- volio), die Kostümierung paßt sich folklo- ristisch an, das Bühnenbild unterstreicht den Naturalismus der Darstellung. Handfestes. Theater, geschickt gezimmert von einem Fachmann — ohne allzu hohe Prätentionen. Und vermag gerade deshalb vielleicht mehr zu geben, als mancher erwartet: die Heiterkeit einer runden seinssatten Welt, die ihrer Ordnung noch in ihrem letzten Narren gewiß ist.
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