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Der Heilige als Hippie

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Ein Musical überden Heiligen Franziskus mit dem Titel „Mut, kommt Leute“ verspricht ein durchschlagender Erfolg der neuen italienischen Theatersaison zu werden - positiv urteilt auch die Kirche.

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Ein Musical überden Heiligen Franziskus mit dem Titel „Mut, kommt Leute“ verspricht ein durchschlagender Erfolg der neuen italienischen Theatersaison zu werden - positiv urteilt auch die Kirche.

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„Forza venite gente“ (etwa „Mut, kommt Leute“), eine Mischung aus volkstümlicher musikalischer Komödie und Rock- Musical über das Leben des hl. Franziskus von Assisi (1181-1226) verspricht einer der Erfolge der anbrechenden italienischen Theatersaison zu werden: Premiere im „Teatro Unione“ von Vi-

terbo, zur Zeit für drei Wochen in Rom im „Teatro Tenda“, einem Theaterzelt, anschließend Tournee durch Italien und ein geplantes Gastspiel in Paris.

Eine junge Theater gruppe, „La piazzetta“ aus der Gegend von Vi- terbo, feiert auf ihre Art den 800. Geburtstag des italienischen Landespatrons: mit • mitreißender Musik (M. Paulicelli, G. C. Matteis, G. Belardinelli) die aus aktuellem Rock- und Disco-Sound, aber auch aus dem Repertoire italienischer Volks-und Opernmusik schöpft. Der hl. Franziskus erscheint in der Gestalt eines freundlichen singenden Hippies, mit fröhlichen, seilhüpfenden Mönchen und einem perfekten Nonnen-Ballett (hL Klara und ihre Gefährtinnen), das auch ab und zu Bein zeigt. Die Solo-Tanz- einlagen sind Schlüsselfiguren der franziskanischen Symbolik („sorella povertä, sorella luna, so- rella morte“, den Personifikationen von Armut, Mond, Tod).

Anklänge an Fernseh-Show und Kabarett sind unübersehbar. Die Beleuchtungseffekte, manchmal mit Rotlicht zu großzügig, rufen zum Teil Nachtklubatmosphäre hervor (zum Beispiel wenn der Tod, eine betörende Blonde in schwarz-rotem Satin-

Anzug und flatterndem Cape, mit akrobatischen Figuren den Heiligen umgarnt).

Demgegenüber stehen Elemente des Volksschauspiels — die Verfasser sind R. Biagioli, M. u. P. Ca- stellacci, P. Palumbo — in der Gestalt des Pietro Bernardone (der in Italien wohlbekannte Silvio Spaccesi), Vater des hl. Franz, der als überzeugter Geschäftsmann und Verächter der Armen die Abkehr des Sohnes von dieser Welt, sein Bekenntnis zu Einfachheit und Armut nicht verstehen kann und will, in volkstümlichburlesken Monologen seine Kommentare abgibt und auch das Publikum um Rat fragt: ein Vater im Generationenkonflikt wie zu allen Zeiten.

Direkten Kontakt zum Publikum sucht (und findet, dank der Interpretation von Bruną Feirri), auch die geistig zurückgebliebene Dienerin des Pietro Bernardone, die zwar arm im Geiste ist, aber Franziskus besser versteht als der Vater.

Das Musical läuft in zwanzig gesungenen und getanzten „Bildern“ aus dem Leben des Heiligen ab, eingeschoben sind besagte Sketches mit dem Vater und dessen Dienerin. Die Welt des Franziskus, seine Liebe zur Natur, den Tieren sind in diesen Bildern enthalten: vermenschlichte Bäume und Vögel tanzen über die betont einfache, aus Podesten und Rampen gebildete Bühne (Bühnenbild und phantasievolle Kostüme:

Maurizio Tagnalini), der böse Wolf von Gubbio—hier ein Dandy mit Zylinder, humorvolle Meisterleistung von Giancarlo de Matteis - wird vom Heiligen aus Assisi gezähmt, der auch den Teufel (etwas zu vordergründig böse, wieder G. de Matteis) nicht fürchtet.

Michele Paulicelli (von dem mit auch die Musik stammt) verkörpert Franziskus; zurückhaltend, ohne Starallüren, aber mit großer Ausstrahlung: ein sanfter, fast immer lächelnder Heiliger.

Schwung, Begeisterung und Frische der zwanzig jungen Schauspieler erzeugen eine fröhliche Gesamtstimmung, die die gut heitere Welt des Franziskus in unser Jahrhundert versetzt — auch wenn Zweifel bleiben, ob „heilige Geschichten“ auf diese Weise simplifiziert und im Rock- Rhythmus akzeptabel realisierbar sind. Die bunte Mischung von naiver Fabel, Rock-Musical und Volksstück verfehlt nicht ihren Effekt auf ein breites Publikum (in Rom auch viele Kinder und Sitzreihen voller Nonnen — Applaus auf offener Szene), und der „Osservatore Romano“, Presseorgan des Vatikans, beurteilt zurückhaltend, aber durchaus positiv.

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