6809541-1972_26_06.jpg
Digital In Arbeit

Endsieg im Rückwärtsgang

Werbung
Werbung
Werbung

Das österreichische Bundesheer besteht faktisch nur noch aus den Fähnchen auf der Lagekarte, und zwar sieht das, nach den Plänen der Regierung, etwa so aus: Dem Armeekommando unterstehen, nebst Fliegertruppe und Femmeldeeinheiten, zwei Gruppen-kommanden (Korpsstäbe): eines in Graz für Wien, Niederösterreich, das Burgenland und die Steiermark, und eines in Salzburg (für Kärnten, Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg).

Diese Spitzengliederung wirkt, wenn man die Landkarte betrachtet, wie ein Kasinowitz. . Die Gruppe Graz mag als Notlösung gerade noch akzeptabel sein, obwohl es nicht eben 'leicht fallen dürfte, von einem Stab aus nördlich und südlich des Semmering zu führen. Die Gruppe Salzburg aber ist eine garstige Mißgeburt, die schon jeden jungen Leutnant das Gruseln lehren müßte. Im Fall eines NATO-Angriffs müßte das Korpskommando gleichzeitig im Bregenzer Wald, im Gailtal und im Innkreis führen, in Lan-iestellan, zwischen denen so gut wie keine Verkehrsverbindungen existieren, und die in ihrer Gestalt so unterschiedlich sind, daß überall andere Kampfgrundsätze und damit auch andere Führurags-grundsätze angewendet werden müssen. Richtig wäre gewesen, die Zahl der Gruppenkommanden von drei auf vier zu erhöhen. Denn operativ wichtig sind drei Großräume — Graz, Linz, Innsbruck — und politisch und logistisch interessant für einen -Aggressor ist der Großraum Wien. Für jeden dieser vier Korpsbereiche ließen sich dann die Verbände gleichsam nach Maß schneidern, während die operative Zweiteilung des Bundesgebietes zwangsläufig in öden Schematismus mündet.

Dieser zeichnet sich dergestalt ab, daß jedes der beiden Korps aus einer noch unbestimmten Zahl von vornehmlich bodenständigen Laradwehrbrigaden plus einer mechanisierten Division besteht. Diese „Divisionen“ sind allerdings ein blanker Schwindel, denn personell und materiell entsprechen sie nur einer schwedischen oder NATO-Brigaide — und selbst das nur auf dem Papier, weil das Material in den nächsten Jahren veraltet und weil von den benötigten 9000 Längerdienenden weit und breit nichts zu sehen ist. So erinnert die Dominikanerbastei fatal an das Führerhauptquartier der letzten Kriegsjahre, wo auf der Lagekarte mit Divisionsnummern operiert wurde, denen in der Wirklichkeit des Schlachtfeldes oft nur noch ein Bataillon entsprach. Um Mißverständnissen, insbesondere bei der Neuen Linken, vorzubeugen: Damit wird nicht eine Verwandtschaft oder gar Gleichheit der beiden politischen Ideologien behauptet;, die infame Verleumdung Lütgendorfs als Nazi bleibt und bleibe jener Neuen Linken vorbehalten, die jüngst in Salzburg auch den Namen des Kreisky-Gastes Nixon mit einem Hakenkreuz zu schreiben sich nicht entblödet hat. Was auffällt und deshalb hier festgehalten wird, ist bloß die frappierende Analogie in den Praktiken der Selbsttäuschung. Und das ist, gerade in dem von Kreisky eingeläuteten Äon der Transparenz, schon schlimm genug.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung