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„Margarete“

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Die in Frankreich vielaufgeführte und populäre Faust-Oper „Margarete“ von Charles Gounod wird auf deutschsprachigen Bühnen seit jeher als ein Stiefkind behandelt. Wenn dieses mit Liebe gepflegt wird, garantiert es jedoch auch hierzulande Erfolge, wie die jüngste Neuinszenierung des Werkes im Linzer Lan-destheater bewies. Sie vermochte alle belastenden Einwände zu beseitigen: etwa daß „Margarete“ eine Profanierung Goethes darstelle,, daß Fausts Gestalt eine Umwandlung erfahren habe, daß Gounod mit seiner Musik keine Überhöhung der berühmten Dichtung gelungen sei. Alles alte Einschätzungsfehler, zu denen die Vorlage gewiß verleitet und die eine richtige Beurteilung erschweren. Gounods „Margarete“ ist nicht als eine Vertonung des Faust-Dramas anzusehen, wenngleich die inhaltliche Übereinstimmung gegeben ist. Der in das andere Medium transformierte Stoff ergibt eine Oper mit den typischen Merkmalen, wie Glanzarien, großen Chortableaus, Ballettszenen und sogar einer ausgeprägten Hosenrolle, mag die des Siebel noch so überflüssig erscheinen. Das Werk verdient endlich diese Erhellungen aus dem Goethe-Schatten, nur dann lichtet sich seine Selbständigkeit. Die kritische Neuausgabe von Fritz Oeser, der Linzer Aufführung erstmals in Österreich zugrunde gelegt, und die deutsche Übertragung von Walter Zimmer entsprechen Gounods Absichten, eine Oper nach Goethe und nicht einen Faust in Noten darzustellen, Und da Linz für „Margarete“ die idealen Besetzungen — diesmal sogar durchwegs hauseigene — hatte, war auch der Genuß auf der musikalischen Seite gesichert.

Am Pult stand der erste Kapellmeister Roman Zeilinger und entlockte dem Bruckner-Orchester Schönklang und Brio in gleichem Maße. Die Chöre, erst seit dieser Spielzeit in Ernst Dunshirns Händen, verteidigen wacker ihren En-sesnblegfjst von dem übrigens auch das von Anna Vaughan gelenkte Ballett — leider zu viel strapaziert in der Walpurgisnacht —1 erfüllt ist. Regisseur Alfred Schänolt und Ausstatter Heinz Köttel harmonieren bestens in ihrem Hang zur Naturali-stik und verschwenden ebenso Gläubigkeit wie Sinnenf reude.

Das Sängeraufgebot ist gering, so daß alle Figuren durch gute Kräfte — und wie gesagt partiengerecht — besetzt werden konnten. William Ingle ist ein lebens- und liebeshung-riger Doktor Faust von nicht nur schöner Gestalt, wäre nicht Mephisto an seiner Seite, vergäße man den diabolischen Pakt des Gelehrten. An seiner dämonischen Aufgabe findet Peter PianeUa als Einspringling für Zdenek Kroupa so viel Gefallen wie das' Publikum an seinem Talent dafür. Paul Wölfrum ist ein braver Soldat Valentin, allein die totale Hingabe sollte ihn nicht zum Forcieren der Stimme verleiten. Der Siebel Margit Neubauers hat Staats-theaterformat, Franz Mayer zeigt als Wagner seine Begabung, Helga Wagner als Marthe ihre Routine. In der Titelrolle darf schließlich Jean Brodel ihren geglückten Linzer Einstand nach bisher blassen Fähigkeitsbeweisen feiern.

Liebe und Sorgfalt für das Bühnenstiefkind „Margarete“ haben sich gelohnt Das Premierenvolk im Großen Hauses begrüßte den Neuling auf dem musikalischen Spielplan mit ausgiebigen Ovationen.

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