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Nur Folklore...?

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Es soll bereits Spaßvögel gegeben haben, die mit der Überlegung spielten, neben dem Andreas-Hofer-Denkmal auf dem Berg Isel bei Innsbruck nun ein Eduard-Wallnöfer-Denkmal auf dem Iselsberg bei Lienz zu errichten. Doch dann gab der Tiroler Landeshauptmann bekannt, daß er nur zu scherzen beliebt habe, als er die 10.000 Standschützen des „heiligen Landes“ zum heiligen Krieg um Osttirol mobilisierte.

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Es soll bereits Spaßvögel gegeben haben, die mit der Überlegung spielten, neben dem Andreas-Hofer-Denkmal auf dem Berg Isel bei Innsbruck nun ein Eduard-Wallnöfer-Denkmal auf dem Iselsberg bei Lienz zu errichten. Doch dann gab der Tiroler Landeshauptmann bekannt, daß er nur zu scherzen beliebt habe, als er die 10.000 Standschützen des „heiligen Landes“ zum heiligen Krieg um Osttirol mobilisierte.

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Was zu Wallnöfers „Mannder, s'ischt Zeit“-Ruf geführt hat, ist noch erinnerlich: in einem „öster-reich-Bild“-Beitrag des Fernsehens, der sich mit der Möglichkeit von „Grenzkorrekturen“. innerhalb des österreichischen Bundesgebietes befaßte, hielten Niederösterreichs SPÖ-Landeshauptmannstellvertreter Czettel eine Zusammenlegung von Wien und Niederösterreich, und Kärntens ÖVP-Landtagsklubob-mann Stefan Knafl die Eingliederung Osttirols in das Kärntner „Hoheitsgebiet“ für sinnvoll und möglich.

Tatsache ist, daß trotz der Felber-tauernstraße für die Osttiroler der Weg nach Klagenfurt noch immer problemloser und kürzer ist als der nach Innsbruck. Und abgesehen von der politischen Verwaltung gibt es in weniger emotionsgeladenen Detailbereichen schon seit Jahren eine Integration Osttirols in Kärnten. So sind etwa die in Klagenfurt gemachten und gedruckten Tageszeitungen „für Kärnten und Osttirol“ (Untertitel des ÖVP-Organs „Volkszeitung“) auf dem Markt um Lienz gut vertreten und Osttiroler Sportler messen ihre Kräfte in den meisten Fällen — bei der Meisterschaft der Kärntner Sportverbände.

Sicher sind die angeführten Beispiele nur formaler Natur — doch man könnte sie als Fingerzeig einer nur von Sachfragen geleiteten Ent-

Wicklung ansehen. Sachliche Überlegungen müßten freilich nicht nur in Osttirol zu einer ernsthaften Prüfung der derzeitigen Bundesländerstruktur Anlaß geben. Abgesehen davon, daß der Trend zu größeren Verwaltungseinheiten ein internationaler ist, kommt in Österreich auch noch die geographische Abtrennung einiger Gebiete von den ihnen zugewiesenen Verwaltungszentren dazu. Der teilweise überhaupt nur über die Steiermark zu erreichende Südzipfel des Burgenlandes, unter Umständen aber auch das (von Unvoreingenommenen eher im Salzburger Hoheitsgebiet zu vermutende) steirische Salzkammergut wären weitere Beispiele dafür.

Derartige Probleme gäbe es also in Österreich genug zu behandeln — tun wird man dergleichen jedoch kaum, ohne sich dabei die Finger zu verbrennen. Denn es sprechen mehrere Aspekte dagegen, den bloß rationalen Überlegungen zu folgen: gewachsene Traditionen, aber auch Parteipolitik und Chauvinismus mancher nicht eben einflußloser Kreise.

So würde sich die ÖVP etwa schon deshalb mit allen Mitteln gegen die Zusammenlegung von Wien und Niederösterreich wehren, weil in diesem Fall wohl durch die daraus resultierende Veränderung der Wählerstruktur eine der allerletzten ÖVP-Hochburgen fallen würde.

Weiter ist es kein Wunder, wenn der Kärntner SPÖ-Landeshauptmann die mehrheitlich „schwarzen“ Osttiroler nicht haben will — die freilich keine Machtumkehr in Klagenfurt bewirken, aber die absolute Mehrheit der SPÖ-Landtagsfraktion wieder schwinden lassen könnten.

Und wie sehr man in der Frage Osttirol auch noch tiefer liegende Emotionen anzusprechen versuchte, geht aus einem Leitartikel von ÖVP-Chefredakteur Walter Raming in der „Volkszeitung für Kärnten und Osttirol“ und den ebenfalls in Klagenfurt als „Volkszeitung“-Kopfblatt gemachten „Tiroler Nachrichten“ hervor. Zwar konzediert man dem Parteifreund Knafl, daß er auf eine „Fangfrage“ des TV-Interviewers hereingefallen sei, sieht dann jedoch in Osttirol „das letzte österreichische Stück Südtirol“.

Wer bislang meinte, das Tabu der Bundesländergrenzen sei längst

überwunden, gibt sich also einem Irrtum hin. Zwar meint man, daß „unter dem Druck wirtschaftlicher Entwicklungen die Grenzen zwischen Ländern und Staaten an faktischer Bedeutung verlieren“, doch die kleinen Gemeinschaften sollen trotzdem nicht auf dem „Altar von Kommerz und Rationalisierung“ zugunsten größerer Einheiten geopfert werden: denn „nur Folklore wäre es dann, von Kärntnern, Tirolern oder Salzburgern zu reden — und das wollen wir alle nicht“.

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