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Pekings Filiale in Westeuropa

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Der Band bekommt nachträglich unversehens höchste Aktualität: US-Präsident Nixon wird im Frühjahr 1972 Mao Tse-tung in Peking besuchen. Die Republik Österreich wird in nächster Zeit die Volksrepublik China anerkennen. Mit der Anerkennung der immerwährenden Neutralität Österreichs wird das kommunistische China einen Haltepunkt seiner internationalen Politik in Mitteleuropa bekommen. Die amerikanischen Karrikaturisten zeigen das aktuelle Problem der freien Welt des Westens auf: Während US- Präsident Nixon im „roten Büchlein“ die Worte Mao Tse-tungs studiert, verfolgt die Polizei in den USA jugendliche Demonstranten, die unter dem Bild Mao Tse-tungs und mit dem roten Büchlein in der Hand gegen das Establishment demonstrieren.

Das vorliegende Buch ist sozusagen Gefechtsrelation einer Auseinandersetzung mit Rotchina. Es identifiziert die chinesisch-kommunistischen Splitterparteien in Westeuropa (darunter auch in Österreich) sowie die rotchinesische und albanische Präsenz in diesem Teil der Erde. Einleitend wird die Propaganda, die entweder via Albanien oder direkt von Rotchina ausgestreut wird, beschrieben. Der sogenannte Realpolitiker und der Wirtschaftspolitiker, der es mit der Tatsache zu tun bekommt, daß wieder einmal der rote Handel lockt, wird über die zum Teil kindisch anmutenden Slogans lächeln. Immerhin haben sich in einem Land wie Österreich, dessen Bevölkerung nicht gerade ein Lesehunger plagt, bereits bis Oktober 1967 10.000 Abnehmer des „roten Büchleins“ mit den „Worten des Vorsitzenden Mao Tse-tung“ gefunden. Diese so genannte „rote Bibel“ findet sich in Studentenheimen katholischer Hoch- schulgemeinden ebenso wie auf dem Bücherbord liberaler Intellektueller. Die Hoffnung, die die Propaganda Pekings an die Verbreitung dieses Büchleins knüpft, mag vielen naiv erscheinen. Indessen ist es gar nicht so sicher, wo diese 10.000 österreichischen Leser stehen werden, wenn „die drei MUliarden (Weltbevölkerung) das rote Schatzbüchlein erhe ben werden — an dem Tag, wenn alle Imperialisten, Revisionisten und Reaktionäre vor das Tribunal der Geschichte gestellt werden“. Ehe die Literatur des Appeasements andere Publikationen auf den Markt bringen wird, empfiehlt es sich, diese Ge fechtsrelation zu lesen. Sie macht viele zum ersten Mal mit gewissen Texten des Maoismus, der rotchinesischen Propaganda sowie des Parteichinesisch der auf unserem Kontinent bereits existierenden Splitterpartei bekannt.

DIE MAOISTEN. Von Friedrich- Wilhelm S chlo m ann / Paulette Friedling stein. Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 1970, 300 Seiten.

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