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„Maotzenbacher”

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Sensationelle und seltsame Waren verkaufen sich seit jeher stets gut. Besonders in literaturfreudigen deutschsprachigen Ländern sind geschriebene oder gedruckte Pikante- rien und Grotesken traditionsgemäß sehr begehrt und gefragt.

Die beiden größten österreichischen „kulturrevolutionären” Meisterwerke, „Mein Kampf” von Adolf Hitler und „Josefine von Mutzenbacher” von Felix Salten (so Otto Fielhauer vom „Express”, vom 5. März 1971) zum Beispiel erfreuten sich schon früher größter Beliebtheit. Und heute hat der Wiener Buchhändler Wilhelm Herzog in der Mariahilfer- (eigentlich soll sie „Josefinehilfer”- heißen) Passage Mao Tse-tung und die Mutzenbacher zu Hauptträgern der neuen abendländischen Kultur der „Nackten und Linken” (so Peter Wolf von der „Wochenpresse”, vom 27. Jänner 1971) gemacht.

Braucht der deutschsprachige Mensch oft ein Führeridol? Wahrscheinlich diesem latenten Unterbewußtsein entsprechend geht der Mao-Boom noch nicht zu Ende, auch wenn der Inhalt dieser Dinge bereits stinkend langweilig geworden ist.

Dr. Tilemann Grimm, Professor an der Bochumer Universität und Mitglied (Honoratior) der „Deutschen Gesellschaft für Ostasienkunde e. V.” in Hamburg, suchte und wählte von den alten Schriften Maos etwas Brauchbares heraus, setzte es zusammen unter dem Titel „Mao Tse- tung über die Revolution …”, schrieb ein paar Fußnoten und Erklärungen dazu, schickte das Manuskript an den Verlag S. Fischer … und damit basta!

Es gibt schon in Hülle und Fülle „ausgewählte Werke und Schriften” von diesem von opportunistisch tenden- zierten Leuten ausgewählten Chinesenführer. Im Grunde genommen, wenn man es direkt sagen darf, haben sie nicht viel Sinn. Jedermann . kann schließlich auch seine . eigene Version von „Mao Tse-tung über die Kontrarevolution”, „Mao Tse-tung über die Mutzenbacher” … usw. zusammenstellen, wenn er ein paar Mao-Übersetzungen zur Hand hat, in der Bundesrepublik einen akademischen Namen genießt und über gute Beziehungen zu den gewinnorientierten Verlegern verfügt.

Das von Tilemann Grimm zusammengebastelte Tupamaros-Lehrbuch kann leider noch keinenfalls als A und O der städtischen Guerillas in Westeuropa (ä la Baader/Meinhof/ Mahler) gelten, da es ein überholtes Sammelwerk Maos über die Revolutionstheorie nur für China und seine benachbarten Länder darstellt, wenn man auch nicht vergessen darf, daß Prof. Grimm sich tatsächlich viel Mühe gemacht hat, die revolutionären Nachhilfetheorien Maos unter dem wissenschaftlichen Mantel für die westeuropäischen Intellektuellen möglichst systematisch und analytisch und verständlich zu gestalten. Systematisch und verständlich werden auch die westeuropäischen Jugendlichen in eine Lage gebracht, die allmählich bedenklich erscheint:

Mao und Sex (Gesamtbegriff „Maotzenbacher”) beherrschen den leeren Kopf, der durch Marihuana und Opium funktionsunfähig geworden ist. Die in einigen Wiener und deutschen Mittelschulen kursierenden Mao-Sex-Hefte schlagen Alarm, denn sie stammen von rotchinesischen Agenten und ihren deutschsprachigen Mitläufern.

Kaufe also außer der populären Mao-Bibel auch noch verschiedene „wissenschaftliche” ausgewählte und verarbeitete Mao-Werke. Diese ideologische Front braucht Peking, neben der allmählich auftretenden M.arn- monoffensive aus dem Reich der Mitte, die außer maoistischen Idealisten auch Profis in Amt und Würde überfallen wird, denn die Rotchinesen bezahlen sicher besser als die Tschechen.

Tilemann Grimm teilte die revolutionären Werke Maos in drei große Kategorien: „Geschichte der Revolution”, „Beiträge zur revolutionären Theorie” und „Beiträge zur Kulturrevolution”. Das Buch ist an sich nicht von größerem Wert.

MAO TSE-TUNG ÜBER DIE REVOLUTION. Ausgewählte Schriften. Herausgegeben von Tilemann Grimm. S.-Fischer-Verlag, 1971. DM 14.80.

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