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Sex & Crime auf Wienerisch

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Ebenso wie der G'spritzte hat auch eine andere Wiener Institution jeden Sommer wieder Saison: Der„Tschau-ner” in der Maroltingergasse in Wien Ottakring.

Daß es den richtigen „Tschauner” seit 1988 nicht mehr gibt, ist dabei nicht wirklich von Bedeutung - was ist schon ein Name. „Original Wiener Stegreifbühne” so heißt das Theater seit seiner Wiedereröffnung im Jahr 1989. Die alte, baufällige Pawlatschn war kurzentschlossen abgerissen worden und wurde durch eine neue, viel schönere ersetzt.

Vorteil: Regendach

Diese bietet nun zahlreiche Vorteile, vor allem eine mechanisch ausfahrbare Überdachung, sodaß auch bei Regenwetter gespielt werden kann. Das ist auch an Werktagen gut so, denn der Andrang ist groß - demnächst wird der/die 100.000 Besucher/in erwartet. Das Publikum beim „Tschauner” ist bunt gemischt wie kaum in einem anderen Theater: einfache Pensionisten sitzen da neben jungen Intellektuellen und alle genießen sie gleichermaßen die Freund-lichkeit des Sommerabends.

Da kann man schon einmal darüber hinwegsehen, daß die Nahrung, die Kopf und Geist hier geboten wird, ziemlich dürftig ist. Es darf gelacht werden -gedacht wird ein andermal.

Das Theater sieht seine Wurzeln in der italienischen Commedia dell' arte, einer Form des volkstümlichen Stegreiftheaters, das sich im 16. und 17. Jahrhundert größter Beliebtheit erfreute - vor allem als Theater der kleinen Leute E auf öffentlichen Plätzen und unter freiem Himmel. In seiner Weiterentwicklung beispielsweise durch Gol-doni oder Moliöre wurde sie dann salonfähig.

Vorwurf: frauenfeindlich

Auch in Wien waren die Stegreiftheater Publikumsmagneten. So gab es nach dem Ersten Weltkrieg an die 30 derartiger Bühnen in Wien. Die Pawlatschn in der Maroltingergasse 43 ist die letzte, die übriggeblieben ist, „Das letzte Brett” wie ein Schild verkündet. Und was dort geboten wird, das trägt so klangvolle Namen wie ,,S' Bankerl unterm Hollerbusch”, „Das Hoserl der Kathrein” oder „Überfall in Grünkirchen”. Der absolute Hit aber ist der„Mord in der Wurlitzergasse”, ein Stück, das für Jugendliche übrigens verboten ist.

Das soll nun aber niemanden betrüben - handgreiflich und anzüglich geht es bei allen Aufführungen zu. Prügel,

Küsse, komische Alte und Verwechslungen - das ist nun einmal der Stoff, aus dem die Lacher sind. Und am allerschönsten ist es doch, wenn sich am Schluß gleich mehrere kriegen und eine Doppelhochzeit angesagt ist.

Bis es soweit kommt, ist allerdings einiges an Frauenfeindlichkeiten zu ertragen, gehen die Spaße doch oft auf Kosten einer widerspenstigen „Bißgurn” oder einer Alten, die auf jugendlich macht. Diesen Wermutstropfen macht auch die gesellig-fröhliche Atmosphäre im Theater nicht unbedingt vergessen. Sensibel darf man eben nicht sein, auf der Pawlatschn.

Zusätzlich zum abendlichen Theaterangebot bietet die Wiener Stegreifbühne auch Sonntagsmatineen mit Wienerliedern und jeden Mittwoch um 16 Uhr Kindertheater.

Saison hat der „Tschauner” übrigens noch bis 9. September, jeden Abend um 19 Uhr 30.

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