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Sex ist Trumpf

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Schnell noch vor der besuchsschwachen Kinozeit um Weihnachten bringen die Verleiher ein paar Filme heraus, deren anspruchsvolle Qualität Beachtung verdient, wenn auch das absolut künstlerische Spitzenprodukt darunter fehlt. Selbst Pier Paolo Pasolini ist in seinem neuesten Opus, der Verfilmung von sieben Erzählungen aus Giovanni Boccaccios „Decamerone“, von seiner bisherigen Linie etwas abgewichen und hat sich — wie er es selbst in einer Pressekonferenz während der Berliner Filmfestspiele nicht ohne Bedauern zugab — dem Kommerz verschrieben; anstelle der aggressiven Sozialkritik ist eine derbe Erotik getreten, die allerdings in mancher Beziehung an den Realismus seiner ersten Filme erinnert und trotzdem eine Art kritischer Volksschilderung darstellt. Schlimm ist nur, was die deutsche Synchronisation noch an textlichen Direktheiten hinzuzufügen müssen glaubte, um einen Pasolini-Film ja nur kommerziell auszuwerten. So ist aus freier Volkssprache Obszönität geworden; und .aus literarischer Erotik Pornographie — was weder Pasolini noch Boccaccio noch deren gemeinsame Filmnachsohöpfung verdient haben…

Daß man auch einen Psycho- Thriller heutzutage so raffiniert gestalten kann, daß die Haupthand- lung, der Fall eines psychopathischen Sexualpervertierten, zugunsten der Darstellung eines Callgirls bzw. ausführlichen Beschreibung aller ihrer noch so ausgefallenen Sexualerlebnisse zurücktritt, beweist „Klute“; der von Alan J. Pakula erstaunlich effektvoll inszenierte Film hätte ein

Gegenstück zu Fritz Längs „M“ werden können, hätte man auch hier die Spekulation auf publikumswirksame Erotik einer Vertiefung der psychologischen Motivation zuliebe vermieden. Immerhin rückt Jane Fondas nuancenreiche und unwahrscheinlich eindringliche, überzeugende Darstellungskunst das unerfreuliche Opus in die Nähe eines künstlerischen Erlebnisses.

Erotik spielt auch in Robert Aldrichs „Die Grissom-Bande“ keine unwesentliche Rolle; wenn auch diese an Cormans „Bloody Mama“ erinnernde • und mit Sequenzen aus Penns „Bonnie und Clyde“ durchsetzte Gangstergeschichte nach Chandlers „Keine Orchideen für Miß Blandish“ (bereits in England 1948 erstmals verfilmt) in erster Linie von einer getreuen, wenn auch überdrehten Neugestaltung der Gangsterfilme der dreißiger Jahre inspiriert scheint, so spielen doch so viele psychologisch richtig gesehene Sexualkomplexe eine so wichtige Rolle darin, daß man sie nur schwer zu übersehen vermag.

Schließlich ‘ sei’ auch’ 5 der SÄ- wöchentliche Western genannt, der uns diesmal einen nach langer krankheitsbedingter Pause sehr gealterten Burt Lancaster beschert, der als mexikanischer Hilfssheriff „Valdez“ bis zum wie ein Gag wirkenden Ende um 100 Dollar für die Gerechtigkeit kämpft: Fiat Iustitia, pereat … ist die wenig erfreuliche Tendenz dieser deutlich vom Italowestern beeinflußten brutalen Parabel, deren filmisches Niveau immerhin beachtlich ist.

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