„Von allen Seiten, auch von sozialistischer, wurde stets verlautet, daß der Abortus keine Methode der Geburtenregelung wäre. Was sonst?" Alfred Rockenschaub, ärztlicher Wegbereiter der Fristenregelung, belegt in der jüngsten „Zukunft" seine Einschätzung auch mit Fakten: Eine verläßliche Schwangerschaftsverhütung sei nur bei 50 Prozent der Österreicherinnen gegeben. „Die andere Hälfte betreibt keine Kontrazeption, sei es bewußt, sei es aus Gleichgültigkeit oder Unbeholfenheit. Schwangerschaften, die daraus resultieren, werden zur einen Hälfte ausgetragen, zur anderen abgebrochen."
Das ist der Hintergrund verschiedener Anläufe, die von der französischen Hoechst-Tochter Roussel-Uclaf entwickelte Abtreibungspille „RU-486" (FURCHE 16/1990) in Österreich auf den Markt zu bringen.
Vorweg: Weder ist das medikamentöse Abtreibungsmittel in Österreich zugelassen noch hat der deutsche Chemiekonzern bisher einen Antrag auf Zulassung gestellt, antwortete jetzt Gesundheitsminister Harald Ettl der SPÖ-Bundes-f rauensekretärin Irmtraut Karlsson und ihrer steirischen Mitstreiterin Eleonore Hödl auf eine parlamentarische Anfrage.
Das Resultat der Ressort-Erkundigungen nach dem Abtreibungsmittel, das die beiden Sozialistinnen im Bundesrat von Et-tel wissen wollten, bestätigt beängstigend bisherige Bedenken.
Wörtlich führt der Minister aus: „Bei dem Präparat RU-486 handelt es sich um ein Antiprogesteron, das durch Blockierung der entsprechenden Hormonrezeptoren zu einem Abfall des Hormonspiegels von Progesteron führt, der mit dem Fortbestand einer Schwangerschaft nicht vereinbar ist. Bei alleiniger Anwendung des Präparates wird in der Literatur von einer Rate an unvollständigen Aborten um 40 Prozent, bei einer Schwangerschaftsdauer von weniger als 49 Tagen und gleichzeitiger Verabreichung von Prostaglandinen von kompletten Abortraten bis zu 95 Prozent berichtet. Als Nebenwirkungen treten Erbrechen, Krämpfe und Blutungen auf. In Einzelfällen mußten wegen der Schwere der Blutungen notfallmäßige Kürettagen durchgeführt und Bluttransfusionen verabreicht werden. Es wird auch von einzelnen Fällen berichtet, in denen die Schwangerschaft trotz Verabreichung des Präparates RU-486 nicht beeinträchtigt wurde. Es liegen aber keine Informationen darüber vor, ob diese Schwangerschaften ausgetragen wurden beziehungsweise ob es zu einer Schädigung der Kinder gekommen ist."
Wie unter solchen Umständen die medikamentöse Abtreibung vom medizinischen Standpunkt aus als „eine - körperlich - sehr schonende Art des Schwangerschaftsabbruches" („Kirche intern", Juni 1990) verniedlicht werden kann, steht auf einem anderen Blatt.
Die Einführung dieser Abtreibungspille in Österreich durch die „Hintertür" der Weltgesundheitsorganisation, die die beiden SPÖ-Frauen auskundschaften wollten, kann sich Ettl jedenfalls nicht vorstellen: Am innerstaatlichen Zulassungsverfahren, ließ er wissen, führe kein (Um-)Weg vorbei.