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Zunehmende Spannungen im Protestantismus
Evangelikai oder evangelisch — das wird immer mehr zu einer Zerreißprobe des Protestantismus. Hie Sinnes- und Persönlichkeitswandel durch lebendige Begegnung mit dem biblischen Zeugnis, aber mit ebenso aktiver Beteiligung an Mission und Dia-konie — dort Sensibilisierung für Gefahren sozialer, gesellschaftlicher Brandherde, vor allem in der Dritten Welt.
So etwa laufen stark vereinfacht, die trennenden Linien zwischen den Evangelikaien und den Evangelischen, zwischen Bekenntnisbewegung und landeskirchlichem Protestantismus. Ubergänge, auch Überschneidungen sind häufig, aber nicht bedeutend.
Die Zahlen der evangelischen Publizistik zeigen mittlerweile einen deutlichen Vormarsch jener Blätter und Verlage, die sich nicht auf einen dicken Polster aus Kirchensteuergeldern verlassen können. Man schätzt, daß 40 % der wirklich praktizierenden Protestanten mittlerweile den Evangelikaien, die sich aus Freikirchen und Teilen der Landeskirchen zusammensetzen — in Deutschland, in der Schweiz, in Österreich, wie auch in anderen europäischen Ländern — zuzurechnen sind.
Hie großes, aus Kirchensteuermitteln stammendes Geld, zahllose teure Engagements im sozialen Bereich, Zuschüsse an afrikanische Untergrundorganisationen, deren „freiheitlicher" Charakter nicht immer zweifelsfrei bewiesen ist — dort die Opfer der Gläubigen, meist nach alter biblischer Sitte als „Zehnter" (vom Lohn, nicht der Steuer!) erbracht mit einer im Verhältnis zur Mitgliederzahl erstaunlich großen Aktivität, nicht zuletzt in Jugendarbeit, Evangelisation und Mission, mit blühender Buchproduktion und wachsendem Einfluß auf die Medien.
Das nun prämierte Plakat des 20. Deutschen Evangelischen Kirchentages 1983 in Hannover zeigt auf dunkelgrünem Hintergrund am Ende von Eisenbahnschienen einen Prellbock — aus dem grauen Schotter zwischen den Bahnschwellen wächst ein Hoffnung machendes grünes Pflänzchen. Die Trostlosigkeit macht betroffen. Ist die offizielle Kirche, die ideell und finanziell den Kirchentag trägt, am Ende, und kann sie nur noch — wie die Losung „Umkehr zum Leben" suggeriert — zu ihrem Ausgangspunkt, dem biblischen Evangelium, das mehr als ein Bündel von sozialen und politischen Motivationen darstellt, zurückkehren?
Die Evangelikaien sagen es schon jetzt. Noch wirft man ihnen deswegen altvaterischen Konservativismus vor und beruft sich auf den Pluralismus, der unter Christen herrschen müsse. Aber ist der, von dem Christen leben, zu dem sie sich bekennen und in dessen Namen sie handeln, etwa ein Plural?
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