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Marxismus und Neomarxismus
DIE REVISION DES MARXISMUS-LENINISMUS. Von Herbert Schack. Zweite, neubearbeitete Auflage. Verlag Duncker und Humbolt, Berlin, 1965. 128 Seiten, DM 13.60.
DIE REVISION DES MARXISMUS-LENINISMUS. Von Herbert Schack. Zweite, neubearbeitete Auflage. Verlag Duncker und Humbolt, Berlin, 1965. 128 Seiten, DM 13.60.
Der Begriff „Revisionismus“ wurde im Laufe der Jahrzehnte von der Bezeichnung einer ganz bestimmten ideologischen Position (Bernstein u. a.) zu einem Schlagwort des kommunistischen Parteijargons. In Wahrheit verbirgt sich hinter der ganzen vordergründigen Polemik ein tiefgehender Prozeß, verursacht durch weltanschauliche Zweifel und politisches Versagen. Herbert Schack versucht in dem vorliegenden Buch, diesen Prozeß in allen seinen philosophischen, soziologischen, ökonomischen und politischen Problemkreisen zu verfolgen.
Schack, der von einer nichtmarxistischen Position ausgeht, ver kennt weder die Bedeutung der Liberalisierungstendenzen, die seit Stalins Tod das Leben der im kommunistischen Machtbereich Lebenden schrittweise erleichtert hat, noch übersieht er die trotz diesen Veränderungen weiterbestehenden Widersprüchlichkeiten des Marxismus-Leninismus, der dennoch Anspruch darauf erhebt, die Schlüssel zur Lösung sämtlicher Probleme der menschlichen Gesellschaft zu besitzen — obwohl Marx keine Antwort auf die tiefsten Fragen der menschlichen Existenz gibt: auf die Fragen nach dem Sinn des Lebens und Sterbens.
Die gründliche Arbeit des Autors läßt leider jeden Bezug auf den Austromarxismus vermissen. Es war der Austromarxismus, der versucht hat, zwischen dem Marxismus leninistischer Prägung (Bolschewismus) und dem frühen Revisionismus einen Mittelweg zu gehen, und der auf Grund seiner geistesgeschichtlichen Bedeutung für die Entwicklung des Sozialismus nicht hätte ausgeklammert werden dürfen. Renner, Bauer, Max Adler sind eine ideologische Nahtstelle im Bereich der verschiedenen Sozialismen.
Schacks fundierte Kritik am Marxismus, der ein Nichtmarxist bei einer Analyse des Revisionismus nicht ausweichen kann, trifft die schwächsten Punkte der marxistisch- leninistischen Ideologie. „Die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse sind seit dem Kommunistischen Manifest viel differenzierter und komplizierter geworden. Der Marxismus erscheint demgegenüber schablonenhaft und wirklichkeitsfremd“ (Seite 92). Der Marxismus, der Anspruch erhebt, die einzig wahre, weil einzig empirische Gesellschaftslehre zu sein, stützt sich — entgegen seinen Ansprüchen
— nicht auf ein Erfassen der Wirklichkeit und eine darauf errichtete Ideologie, sondern er versucht deduktiv, von der Ideologie ausgehend, die Wirklichkeit zu deuten
— und daher verkennt er sie.
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